Die Welt blickt fassungslos auf Wladimir Putins Vernichtungsfeldzug gegen die Ukraine. Russlands Präsident verheddert sich in einer Spirale der Gewalt: Je mehr Schuld er auf sich lädt, desto weniger gibt es für ihn ein Zurück, desto mehr Schuld ist er bereit, auf sich zu laden. Derzeit sind im Grunde nur zwei Szenarien denkbar: Entweder wird die Ukraine gänzlich zerstört – oder Putins eigener Machtapparat stellt sich gegen ihn. Doch wie gross sind die Chancen dafür? Über die letzten Stunden von Putins Idol Josef Stalin wird berichtet: Selbst als der Massenmörder von einem Schlaganfall gelähmt am Boden seines Schlafzimmers lag, wagten es seine Mitarbeiter lange nicht, überhaupt nur den Raum zu betreten.
Putins Bombardements pulverisieren alte Gewissheiten. Darunter die, dass ein Atomkrieg ganz und gar unvorstellbar sei.
Auch erleben wir in diesen Tagen das totale Scheitern der Schweizer Aussenpolitik der vergangenen zwei Jahrzehnte. Russland war ein Sehnsuchtsort für all jene, die unser Land möglichst weit weg von der EU positionieren wollen.
Im August 2004 traf sich an der Universität St. Gallen eine illustre Männerrunde, um eine Neuverortung der Schweiz zu diskutieren. Der damalige Bundesrat Christoph Blocher war dabei, der Chef von Economiesuisse, Vertreter des Staatssekretariats für Wirtschaft. Man war sich einig: Die Eidgenossenschaft muss zu neuen Ufern aufbrechen – ausserhalb der Europäischen Union. Zu diesem Zeitpunkt war der EU-Beitritt noch erklärtes Ziel der Schweizer Aussenpolitik. Wenige Monate nach dem St. Galler Stelldichein beschloss die Landesregierung, dass es dieses Ziel so nun nicht mehr gebe. Stattdessen wollte man jetzt die Nähe zu den USA, zu China und Russland suchen.
Die Hoffnung auf ein Freihandelsabkommen mit Washington zerschlug sich bald. (Einen späteren Wiederbelebungsversuch ereilte das gleiche Schicksal.) Umso eifriger machte Bern fortan Peking und Moskau den Hof. Ein paar Stichworte zur Romanze mit Russland: 2009 reiste Putins Intimus und zwischenzeitlicher Statthalter Dmitri Medwedew zum allerersten Staatsbesuch eines russischen Oberhaupts in der Schweiz. Hans-Rudolf Merz hob bei der Begrüssung hervor, dass beide Staaten weder der EU noch der Nato angehörten. «Russland ist ein Land von strategischer Bedeutung», schwärmte der damalige Bundespräsident. Die Beziehungen zu solch einem Land zu pflegen, zähle «zu den unverzichtbaren aussenpolitischen Prioritäten». Medwedew seinerseits lobte: «Die Schweiz ist einer der grössten und stabilsten Wirtschaftspartner Russlands.»
2013 nahm die Schweiz auf Einladung Moskaus an den Treffen der G-20-Finanzminister teil. Im Folgejahr dann marschierte Russland auf die ukrainische Krim ein. Der Bundesrat weigerte sich, die Sanktionen der EU gegen die Besatzungsmacht zu übernehmen, und sagte lediglich zu, die Umgehung der Strafmassnahmen möglichst zu verhindern. Im Gegenzug schloss der Kreml die Schweiz von seinen Retorsionen gegen Brüssel aus.
Noch 2019 pilgerte Ueli Maurer als Bundespräsident zu Wladimir Putin. Maurers Medienstelle teilte mit: «Beim Gespräch mit Präsident Putin betonte er die guten und vielseitigen Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland. Die Wirtschaftsbeziehungen bildeten einen substanziellen Teil des Gesprächs.»
Kaum jemand hat den Angriffskrieg gegen die Ukraine kommen sehen. Aber dass die russische Führung eine Feindin von Demokratie und Rechtsstaat ist, stand schon lange vorher ausser Frage. Die Menschenrechtslage in Russland war bereits prekär, als Hans-Rudolf Merz seinen Gast Dmitri Medwedew eben nicht darauf ansprach.
Es ist berührend, wie viele Schweizerinnen und Schweizer sich heute solidarisch zeigen mit den Opfern des Kriegs. Auch Bundesbern dürfte sich den ukrainischen Flüchtlingen gegenüber grosszügig verhalten. Das ist allerdings nicht genug: Putins Krieg zeigt, wohin die Schweiz gehört. Nicht an die Seite Russlands oder Chinas. Unser Land gehört zu Europa. Daran muss sich die Politik endlich ausrichten.