Die Partnerin für die Geborgenheit, eine Affäre für die Erotik – Meyer rät
Sie sind ein Egoist geworden

Ich (m, 43) bin seit zehn Jahren mit meiner Partnerin zusammen. Seit zwei Jahren habe ich eine Affäre, die mich erotisch und emotional erfüllt. Diese Frau ist unglücklich, weil ich mich nicht trennen will. Meine Partnerin merkt, dass etwas nicht stimmt.
Publiziert: 09.09.2023 um 17:31 Uhr
Die Geliebte leidet unter der erniedrigenden Heimlichkeit. Die Partnerin merkt, dass etwas nicht stimmt.
Foto: Getty Images
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Thomas MeyerSchriftsteller und Kolumnist

Kein Wunder: Ständig müssen Sie lügen, abwiegeln, Ihre Gefühle moderieren und sich die Tatsache schönreden, dass Sie seit Jahren Ihre Partnerin betrügen. Das muss enorm anstrengend und schmerzhaft sein.

Eigentlich stimmt ja alles für Sie: Sie haben die Geborgenheit einer langjährigen Beziehung und die Erotik der Affäre. All Ihre Bedürfnisse sind abgedeckt. Halt nicht mit einer Person, sondern mit zweien, und mit allen Komplikationen, die diese Aufteilung mit sich bringt – aber die Bilanz scheint für Sie trotzdem akzeptabel zu sein. Wie auch für Ihre Geliebte: Sie leidet unter der erniedrigenden Heimlichkeit, aber das ist der Preis, den sie zu zahlen bereit ist, um den naiven Wunsch aufrechtzuerhalten, dass mehr werde aus der Affäre. 

Unsere Motive sind oft nicht besonders edel. Wir wollen Anerkennung. Wir wollen Sex. Wir wollen nicht allein sein. Wir wollen keine schwierigen Gespräche führen. Wir wollen keine Veränderungen und erst recht keinen Verzicht. Für all das gehen wir sehr weit. Und überschreiten dabei so manche Grenze. 

Es ist offensichtlich, dass Sie mit keiner der beiden Frauen wirklich zusammen sein wollen, sonst gäbe es die jeweils andere nicht. Sie wollen lediglich die Vorteile aus beiden Beziehungen, und wie es Ihnen und diesen Frauen dabei geht, spielt für Sie offenbar keine Rolle. Das lässt auf eine erhebliche Abstumpfung, Entfremdung und Härte schliessen. Sie sind ein Egoist geworden.

In Ihrem Inneren wissen Sie ja, was richtig wäre: beide gehen zu lassen, weil Sie beide nicht lieben und letztlich auch nicht respektieren. Aber eben: Wir wollen nicht allein sein, keine Veränderungen und keinen Verzicht. All das ist jedoch manchmal notwendig, um sich selbst wieder zu spüren. Und wieder in den Spiegel blicken und sagen zu können: Du machst es richtig.

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