«Erbschaft», das klingt erst mal erfreulich: Man bekommt etwas geschenkt. Aber leider muss man es oft mit ausgemachten Nervensägen teilen, und die Freude schmilzt schneller als ein Eisberg im 21. Jahrhundert. Und die Kommunikationsmethoden unserer Epoche verstärken den Stress noch
erheblich.
Frühere Auseinandersetzungen dieser Art konnten per Brief und telefonisch geführt werden – beziehungsweise eben nicht: Einen Brief konnte man so lange ungeöffnet liegen lassen, wie es einem beliebte, und das Telefon konnte man klingeln lassen, ohne zu wissen, wen man ins Leere laufen liess.
Mit Mails und SMS können Sie zum Glück ganz ähnlich umgehen:
1. Richten Sie in Ihrem Mailprogramm einen Ordner ein, wo Nachrichten, die von Ihrem Bruder kommen, automatisch abgelegt und als gelesen markiert werden. Bestimmen Sie einen Wochentag, an dem Sie immer zur gleichen Zeit seine Mails lesen. Lesen Sie sie sonst nicht. Antworten Sie auch nicht am selben Tag, sondern erst am nächsten. All das verschafft Ihnen wohltuende Distanz.
2. Was die SMS anbelangt, müssen Sie die Handynummer Ihres Bruders in diesem Sinne blockieren. Das geht leider nicht anders. Vielleicht erscheint es Ihnen als zu radikal, aber bedenken Sie, wie Sie sich fühlen, wenn eine Nachricht von ihm eintrifft. Da kommen gewiss alle Gefühle der Gegenwart und Vergangenheit gleichzeitig hoch. Das ist nichts anderes als Psychoterror, und dagegen muss man sich mit allen Mitteln wehren. Warum glauben Sie, gibt es die Möglichkeit, eine Nummer zu blockieren, überhaupt?
3. Schreiben Sie Ihrem Bruder ein Mail, in dem Sie ihn über diese Massnahmen aufklären. Erklären Sie ihm, dass die Belastung für Sie sonst zu gross sei und Sie Ihre Kräfte für die Abwicklung der Erbschaft benötigen. Er wird sauer sein – aber sich fügen müssen.