Claude Cueni über das ehemals unbesiegbare Exportgut der Schweiz
Schweizer Söldner auf Reisen

Die Flucht vor Eintönigkeit führt junge Männer ins Söldnerwesen, heute wie schon damals. Kolumnist Claude Cueni über die Geschichte der Schweizer Söldner.
Publiziert: 04.08.2023 um 00:16 Uhr
Noch heute entfliehen junge Männer der Eintönigkeit durch den Eintritt in die Schweizergarde, die vom 1927 eingeführten Söldnerverbot ausgenommen ist.
Foto: Keystone
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Claude CueniSchriftsteller

Vor rund 600 Jahren exportierte die Schweiz weder Flugabwehrsysteme nach Katar noch gepanzerte Fahrzeuge nach Botswana, sondern Zeitsoldaten aus Fleisch und Blut. Man nannte sie «Reisläufer», weil diese Söldner «reisten». Bei ausländischen Herrschern war die Kriegskunst der Schweizer gefragt. Mit ihren sechs Meter langen Spiessen stachen sie Ross und Reiter nieder und waren manchem Ritterheer überlegen. Man hielt diese «Gewalthaufen» deshalb für unbesiegbar. Für junge Männer war der Anreiz, im Ausland Kriegsdienst zu leisten, gross, zumal Überbevölkerung und die damit verbundene Arbeitslosigkeit immer mehr Menschen in die Armut trieb.

Auf Söldner spezialisierte «Jobcenter» vermittelten zwischen Herrscherfamilien und jungen Schweizern, die einem trostlosen Dorfleben entfliehen wollten. Später übernahmen Kantone dieses lukrative Business. Sie setzten durch, dass sich vermittelte Söldner bei Verfehlungen keinem fremden Richter stellen mussten. Als die Inflation die Kaufkraft des Soldes schmälerte und das Recht auf Plünderung eingeschränkt wurde, verlor die Reisläuferei an Attraktivität. Es war schliesslich das Schiesspulver, das den Mythos der Unbesiegbarkeit zerstörte.

Während den französischen Kolonialkriegen in Indochina (1946–1954) und Algerien (1954–1962) traten rund 7500 Schweizer der französischen Fremdenlegion bei. Diese Eliteeinheit für Auslandeinsätze war bereits 1831 gegründet worden.

Seit der Revision des Militärstrafgesetzes im Jahre 1927 ist Schweizern der Dienst in fremden Armeen verboten. Einige schliessen sich trotzdem der Legion an. Wer jedoch nach den obligaten fünf Dienstjahren zurückkehrt, muss (theoretisch) mit einer Haftstrafe rechnen. Das gilt auch für die wenigen Schweizer, die sich in der Ukraine der «Internationalen Territorialverteidigungslegion» angeschlossen haben.

Vom Söldnerverbot ausgenommen ist die 1506 gegründete päpstliche Schweizergarde. Ihre Tätigkeit wird als Polizei- und nicht als Militärdienst eingestuft. Die Motivation, in einer Renaissance-Uniform in der brütenden Hitze Wache zu schieben, gleicht in einem Punkt den Beweggründen der Reisläufer: Es ist der jugendliche Drang, der Eintönigkeit zu entfliehen.

Claude Cueni (67) ist Schriftsteller und lebt in Basel. Er schreibt jeden zweiten Freitag im BLICK. Zuletzt erschien sein Thriller «Dirty Talking».

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