Kolumne «Alles wird gut»
Die Zeit der Hamas-Witze

Wie wohltuend: Ein arabisch-israelischer Komiker teilt nach allen Seiten aus.
Publiziert: 06.11.2023 um 00:08 Uhr
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Shahak Shapira macht Witze über Israel und Hamas.
Foto: Youtube Screenshot
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Ursula von ArxJournalistin und Buchautorin

«Kontextualisierung» ist gerade nicht so angesagt. Denn im Angesicht des Hamas-Terrors könne man nicht Zusammenhänge herstellen und Erklärungen suchen, ohne diesen damit zu relativieren, verharmlosen, verteidigen. Kein «Aber» solle man dem unhintergehbar Bösen folgen lassen, wird geraten – das «hinterhältige Aber» müsse unterbleiben.

Wenn man denn schon nicht mehr denken soll, darf man dann wenigstens noch lachen? Darf man sich im Tarnmantel des Humors um Differenzierung, Distanz, Einordnung bemühen? Natürlich nicht, denn in jedem guten Witz stecken Zweifel, Selbstzweifel. Unbrauchbar in Zeiten des Bekenntniszwangs und Analyseverbots. Man soll nicht mehr lustig sein, denn lustig sein bedeutet: undogmatisch sein, offen für eine Komplizenschaft mit (fast) allen, also menschlich sein, eigentlich.

Shahak Shapira (35), der arabisch-israelische Komiker mit deutschem Pass, tut dennoch genau das. In einem Umfeld, das von allen fordert, sich auf die eine, moralisch überlegene Seite zu stellen, teilt er nach allen Seiten aus.

Kurz nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober typisiert er sowohl die Täter als auch die Opfer sowie das sich betroffen zeigende Publikum ganz ohne Scham. Frei von Rücksicht auf den sogenannt guten Geschmack rückt er ihnen mit schallendem Gelächter zu Leibe: Shapira lacht über die «Araber auf Paragleitern». Er macht Witze über den Trostsong, den die Rockband U2 den von der Hamas ermordeten Musikfestival-Besuchern widmet: «Ich hörte mir das an, war ergriffen und dachte: ‹Das werde ich der Hamas nie verzeihen, dass sie mich dazu brachte, U2 zu hören.›»

Shapiras Kommentar zu den Kinderopfern: «Ich glaube, die Hamas hat inzwischen so viele Kinder missbraucht, dass sie die katholische Kirche eingeholt hat.»

Oder Shapira über Jerusalem: «Also ich bin bereit, Jerusalem abzugeben.» Es gebe inzwischen genügend Fotos davon, wozu braucht es das echte Jerusalem noch? Und man könne die Stadt ja in Las Vegas als Hotel nachbauen lassen, Hotelname «Little Jerusalem» – warum auch nicht. Einzige Bedingung: «Die Araber müssen die ultraorthodoxen Juden zu sich nehmen. Denn ultraorthodoxe Juden und die Hamas: allerbeste Freunde! Die gleichen Werte: Beide hassen Israel, hassen Frauen, hassen Schwule.»

So und so weiter sucht Shapira (fast) alle unter dem Dach des Humors zu versammeln. Er stärkt die Hoffnung, dass lachende Menschen das Schlimme teilen und so mindern können. Alles wird gut.

Ursula von Arx lacht gern in unbekümmerten Zeiten. Und ist überzeugt, dass der Humor nie wichtiger ist als in schweren. Von Arx schreibt jeden zweiten Montag im Blick.

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