Vandalismus, Beleidigungen, Morddrohungen: Das kennen wir aus Abstimmungskämpfen eigentlich nicht. Am 13. Juni aber stimmen wir über Pestizide ab – und das Klima ist vergiftet.
Für einen Teil der Landwirtschaft bringen die Trinkwasser-Initiative, die verlangt, dass nur noch Direktzahlungen (also Subventionen) erhält, wer auf Pestizide verzichtet, und die Pestizid-Initiative, die ein Verbot von Pestiziden fordert, das Fass zum Überlaufen.
Zwänge und Schäden der Landwirtschaft
Man kann die Empörung gut verstehen, denn die Landwirte sind seit Jahrzehnten immer stärkeren Zwängen ausgesetzt. An erster Stelle dem ständigen Preisdruck. Hinzu kommen staatliche Vorgaben, Umweltanforderungen, Bürokratie und ein verändertes Konsumverhalten. Die Zahl der Landwirte hat sich in den letzten 40 Jahren halbiert, teilweise wegen solch abschreckender Entwicklungen.
Allerdings muss man auch sehen, dass das Nachkriegsmodell der subventionierten intensiven Landwirtschaft nicht überlebensfähig ist – egal, wie oft es reformiert wird. Die Agrochemie hat, ebenso wie die Industrie, Boden und Grundwasser verschmutzt und zu einem dramatischen Rückgang der Artenvielfalt beigetragen.
Wir müssen eine grundsätzliche Frage beantworten
Um die Schweizer Landwirtschaft zu retten, braucht es den Mut, entschlossen in die Zukunft zu blicken, anders zu produzieren (und zu konsumieren!). Nur so kommen wir aus der agrarpolitischen, ökonomischen und ökologischen Sackgasse heraus. Denn jenseits der heftigen Angriffe, der Wut und der Ängste wird uns am 13. Juni die grundsätzliche Frage nach einer modernen und vorbildlichen Landwirtschaft gestellt.
Wir müssen uns für eine visionäre Agrarpolitik entscheiden. Viele Landwirte haben der Chemie bereits den Rücken gekehrt und kommen, mithilfe von Direktzahlungen, gut zurecht. Jeder sechste Schweizer Bauernhof ist ein Bio-Betrieb. Auch die Konsumenten lassen sich nicht lumpen: Im Jahr 2020 griffen sie 20 Prozent häufiger zu Bio. Ganze 455 Franken geben Schweizer im Jahr für zertifizierte Lebensmittel aus – Weltrekord beim Konsum von Bio-Lebensmitteln.
Eine historische Chance
Falsch sind Behauptungen, dass der Preis für Bio-Produkte in die Höhe schiessen wird, wenn die Schweizer eine oder beide Initiativen annehmen. Die Gesetze des Marktes folgen schliesslich der Grösse des Geldbeutels und der Zahlungsbereitschaft.
Dann würde auch die Zwei-Klassen-Gesellschaft abgeschwächt, die heute jene, die sich Bio leisten können, von denen trennt, die es eben nicht vermögen. Zudem hat das Parlament bereits mehrfach bewiesen, dass es in der Lage ist, Volksinitiativen sorgfältig und umsichtig zugleich umzusetzen.
Die Schweiz hat die historische Chance, einen mutigen und innovativen Entscheid zu fällen. Wir sollten sie ergreifen und zweimal Ja stimmen. Nur das führt in die Zukunft und versprüht Hoffnung.