Vergangenen Donnerstag war das Mass für Fredy Schneiter (59) voll. Eigentlich ist der Landwirt aus Hofstetten SO ein umgänglicher Mann. Und doch zimmerte er letzte Woche einen Galgen, stellte ihn auf seinem Feld auf und knüpfte eine Strohpuppe in einem Blaumann daran auf. Und schrieb «Untergang der Schweizer Landwirte» auf ein Schild darunter.
«Mit dem ‹Tscholi› wollte ich die Leute wachrütteln!», sagt Schneiter. Die beiden Agrar-Initiativen machen ihn hässig. «Sie zerstören die produzierende Landwirtschaft», schimpft er, als Blick ihn auf seinem Hof besucht. «Die Puppe demonstriert, was den Bauern droht.» Dass die Darstellung etwas gar übertrieben ist, war sich Schneiter bewusst.
«Die anderen haben angefangen!»
«Aber die anderen haben angefangen», sagt der Landwirt und erzählt, woher seine Wut kommt. Von einem Plakat der Gegenseite. Darauf ist ein Baby abgebildet – auf seinem Bauch klebt ein Zettel mit einer Aufzählung von Pestiziden, wie ein Beipackzettel oder ein Inhaltsverzeichnis. «Als würden wir kleinen Kindern schaden wollen!», ruft Schneiter aufgebracht. «Als ich das gesehen habe, musste ich einfach etwas machen.»
Das Klima zwischen Gegnern und Befürwortern der Trinkwasser- und Pestizid-Initiative ist vergiftet. Beide Seiten zerstören die Wahlplakate der jeweils anderen. Befürworter werden als Zerstörer der Landwirtschaft beschimpft, Bauern als Giftspritzer.
Beschädigte Plakate, verängstigte Bäuerinnen
«Klar ist das Babyplakat emotional», sagt Dominik Waser (23), Komiteemitglied der Pestizid-Initiative. «Es soll zeigen, dass Pestizide die Gesundheit von Kleinkindern gefährden.» Mit dem Plakat wollten die Initianten die Diskussion anregen, sagt Waser.
Nur laufe diese im Moment gehässig, wie auch die Befürworter merken. «Die Situation ist aufgeheizt und aggressiv», sagt Waser und fügt hinzu, dass «unschöne Sachen» passieren würden. So würden Wahlplakate und Fahnen zu Hunderten abgerissen. Und das sei nicht alles: Bäuerinnen würden sich nicht mehr trauen, die Initiativen öffentlich zu unterstützen. «Weil sie sonst verbal angegangen werden.»
Diese Angst ist nicht aus der Luft gegriffen. Trinkwasser-Initiantin Franziska Herren (54) erhielt eine Morddrohung, die grüne Ständerätin Céline Vara (36, NE) steht deswegen gar unter Polizeischutz. Unterdessen sah sich gar Bundespräsident Guy Parmelin (61) genötigt, mässigend einzugreifen.
Ein «Denkzettel» am Galgen
Plakate abreissen, anderen drohen – davon hält Fredy Schneiter nichts. Aber er konnte es nicht lassen, den Befürwortern «einen Denkzettel» zu verpassen, wie er sagt. Er nervt sich über all jene, die die Initiativen befürworten, «aber keine Ahnung von der Materie haben». Nichts davon verstehen, wie Bauern arbeiten und welche Folgen die beiden Initiativen für die Landwirtschaft hätten.
Also stellte er den Galgen auf – an der Schnellstrasse, weitab vom nächsten Gehweg: «Damit kein Autofahrer anhalten und vandalieren konnte.»
«Es war ein Tick zu viel»
Um 11 Uhr hing der Tscholi am Galgen, um 14 Uhr fuhr die Polizei vor. «Ich musste den Tscholi wieder abbauen.» Er störe den Strassenverkehr, gab ihm die Polizei zu verstehen. «Die Autofahrer drückten natürlich alle auf die Bremse», sagt er.
Im Nachhinein bereut der Bauer die Aktion. «Es war ein Tick zu viel», sieht er ein. Und auch eine schlechte Methode, um andere zu überzeugen. Eine Rückmeldung gab dem Bauern besonders zu denken: «Eine Bekannte, die kürzlich jemanden verloren hatte, musste deswegen weinen», sagt Schneiter. «Ich will mich entschuldigen.»
Diese Stellen sind rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143 www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147 www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net
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Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net