Es krächzt und schreit im Hintergrund beim Telefongespräch mit Urs Büchler (71) in Bolivien. «Das sind unsere Papageien», erklärt er lachend. Im tropischen Unterland Boliviens, etwa 40 Kilometer weg von der Zivilisation, hat der tierliebe Schweizer eine neue Heimat gefunden – und mit ihm rund 350 einheimische Wildtiere.
«Nach all den Jahren Luxus in der Schweiz ist mein bescheidenes Leben in dieser unbeschreiblich schönen Natur ein krasser Gegensatz», so Büchler. Sein früheres Leben vermisst der ehemalige Banker aber nicht: «Die Natur und unsere Wildtiere geben mir viel Zufriedenheit.»
Auf der Suche nach einer sinnvollen Tätigkeit
2003 hat sich der selbständige Anlageberater frühzeitig pensionieren lassen und ist nach Bolivien ausgewandert. «Von vielen Kurzreisen habe ich diesen schönen Teil vom tropischen Bolivien kennen und lieben gelernt. Daher fiel es mir relativ leicht, die ganze Finanzwelt und den immer grösser werdenden Bürokram der Schweiz hinter mir zu lassen.» Er lebte damals in einer Wohnung in Santa Cruz.
Einfach nichts zu tun, war aber langfristig nichts für den kinderlosen Frührentner: «Ich wollte endlich etwas Sinnvolles machen und so habe ich 2009 die Stiftung Afasi gegründet, die bedrängten Wildtieren in unserer Gegend hilft.» Afasi steht für Amigos de la Fauna Silvestre.
Auf einem rund 90 Hektaren grossen, abgelegenen Grundstück mit einer Farm, hat sich Büchler ein Naturparadies mit einem Auffangzentrum gebaut. «Unser Refugium für Wildtiere hat fast die Grösse von Aadorf im Thurgau, dem Ort, in dem ich aufgewachsen bin», erzählt der Schweizer.
Affen wurden auf Märkten zum Kauf angeboten
«Von nun an ging es aufwärts mit der Stiftung und abwärts mit den Finanzen», so Büchler. In seiner Auffangstation hat er momentan etwa 350 Wildtiere unter seiner Obhut. Darunter Affen, Wildschweine, Nasenbären, Landschildkröten, Vögel, Wildkatzen, Kaimane und vieles mehr.
«In den letzten Jahren haben wir auch etwa 45 Faultiere gerettet und in unserem Park ausgesetzt», fährt Büchler fort. Er kennt einige der traurigen Geschichten der Tiere, die bei ihm eine neue Heimat gefunden haben. «Einige der Affen wurden auf Märkten zum Kauf angeboten und lebten bei Familien. Auch ein Puma, der in einer Wohnung lebte, wurde an einer Leine von seinem Besitzer zu uns gebracht.»
Wildtiere, die bei Menschen und in Städten gelebt haben, wieder in die freie Natur zu lassen, sei fast nicht mehr möglich, so der Tierschützer. «Die Tiere haben ihre natürlich Scheu vor Menschen verloren und suchen immer wieder ihre Nähe.» Wenn ein Puma in besiedeltem Gebiet auftauche, werde er erschossen.
Rente und Spendengelder werden in die Tiere investiert
Fünf Männer und eine Frau helfen dem Schweizer vor Ort. «Die Mitarbeiter erhalten einen landesüblichen Lohn. Es sind aber auch freiwillige Helfer bei uns.» Für sie steht neben Büchlers Haus eine Unterkunft zur Verfügung.
Unterstützung vom Staat erhält der Tierfreund nicht. «Ich stemme fast alles aus meiner Tasche, mit meiner Rente und mit Spendengeldern.» Sechs Tage pro Woche arbeitet der Rentner. Von morgens um halb 7 bis zur Raubkatzenfütterung am Abend.
Schweizer Auswanderer
Baggern und buddeln statt Krawatte tragen
Die ganzen Gartenanlagen und Tiergehege hat Büchler über die Jahre selber geplant und gebaut. «Ich habe etwa acht Hektaren Biotop mit einem gemieteten Trax ausgebuddelt, Wanderwege im Dschungel angelegt und viele Jugendträume mehr auf meinem Grundstück verwirklicht.»
Baubewilligungen seien in Bolivien für solche Projekte nicht nötig. «Lediglich eine Bewilligung für die artgerechte Haltung der Tiere musste ich einholen, und wir werden immer wieder kontrolliert.»
Das in Bolivien viel weniger Bürokratie herrscht als in der Schweiz, gefällt Büchler. Auch mag er das subtropische Traumwetter. Etwa 320 Tage im Jahr, herrschen Temperaturen zwischen 21 und 33 Grad. «Ich trage meistens kurze Hosen. In den 18 Jahren in Bolivien habe ich vier Mal eine Krawatte tragen müssen», erinnert sich der ehemalige Banker lachend.
Was den Schweizer dagegen nervt, ist die Unpünktlichkeit der Menschen in Bolivien. Auch gutes Brot oder die Knöpfli und Zimtsterne seiner Mutter vermisse er. «Alle zwei Jahre reise ich für zwei Wochen in die Ostschweiz und besuche meine Mutter. Länger wegzubleiben geht wegen der Tiere nicht.»
Lebenswerk als Hinterlassenschaft
Für Urs Büchler ist eine Rückkehr in die Schweiz nur schon wegen der Tiere nicht denkbar. Kürzer treten möchte der Rentner, der dank der täglichen Arbeit und viel Bewegung in der Natur noch bei guter Gesundheit ist, aber schon. Ein kleines angrenzendes Privatgrundstück hat er sich für seinen Lebensabend darum vor einiger Zeit gekauft.
Doch zuerst hat er noch andere Pläne: «Um die Stiftung wirtschaftlich unabhängig und selbsttragend zu machen, werden wir im November 2021 die Auffangstation dem Publikum öffnen. Wir hoffen, dass es uns damit finanziell besser geht und ich etwas kürzertreten kann.»
Seine Nachfolge hat er schon geregelt. Zudem lebt er seit einiger Zeit mit Partnerin Monica Prada (59) zusammen, die ihn unterstützt. «Uns verbindet vor allem die Liebe zu den Tieren.»
Das Wohl seiner Wildtiere ist dem Schweizer das Wichtigste. «Mit meinem Tierparadies in dieser intakten Natur von Bolivien möchte ich auf der Welt meine Spuren hinterlassen.»