Verzweifelter Schweizer bereut Auswanderung
«Ich will nur noch weg aus Brasilien»

Beat W.* (59) ist Anfang 2019 mit seiner Ehefrau nach Brasilien ausgewandert. Mit der Geburt von Sohn Ramon schien das Glück der Familie perfekt. Doch dann schlug das Schicksal brutal zu. Beat W. kämpft um sein Kind und will nur noch zurück in die Schweiz.
Publiziert: 24.07.2021 um 01:28 Uhr
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Aktualisiert: 24.07.2021 um 10:18 Uhr
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Da war das Familienglück des Schweizers in Brasilien noch perfekt. Der stolze Papa Beat W. (59) kurz nach der Geburt von Sohn Ramon.
Foto: zVg
Corine Turrini Flury

«Ich schäme mich total für meine Situation, aber ich weiss einfach nicht mehr weiter», so Beat W.* (59) im Gespräch mit Blick. Er kämpft mit den Tränen, während er seine tragische Auswanderergeschichte erzählt.

Der Zürcher war langjährig im Marketing und der Reisebranche tätig und lebte mit seiner ersten Frau längere Zeit in Brasilien, wo er gutes Geld verdiente. «Mit der Wirtschaftskrise entschieden wir aber, zurück in die Schweiz zu kehren.»

Als seine erste Ehe in die Brüche ging, reiste der kinderlose Schweizer im Jahr 2017 wieder nach Brasilien und startete dort ein neues Leben.

«Wir hatten ein einfaches, glückliches Leben»

In seiner neuen Heimat fand Beat W. auch eine neue Liebe und heiratete eine wesentlich jüngere Brasilianerin. «Bei ihr kam der Wunsch nach einem Kind auf. Beim Gespräch über die Zukunft haben wir beschlossen, wieder in die Schweiz zu ziehen.»

Seine Ehefrau integrierte sich gut, lernte Deutsch und schloss Freundschaften. «Wir hatten ein einfaches Leben, eine Wohnung und Arbeit und wir waren glücklich. Vor allem, als sie schwanger wurde», so der 59-Jährige.

Er habe sich gefreut, trotz seines Alters erstmals Vater zu werden, und wollte seinem Kind und seiner Frau ein gutes Leben in der Schweiz bieten.

Diagnose Krebs

Es war die Schwiegermutter, die ihre Tochter zur Rückkehr nach Brasilien drängte. «Weil meine Eltern schon lang verstorben sind und ich keine Geschwister oder andere Verwandte in der Schweiz habe, liess ich mich dazu überreden», so Beat W. Ein Fehler, wie er heute sagt. Nun bereut er ihn bitter.

Im April 2019 wurde Sohn Ramon* in Brasilien geboren. Das Familienglück blieb bis zum Sommer 2020 perfekt. Dann fühlte sich Beat W.s Ehefrau zunehmend schlecht und klagte über Bauchschmerzen. Ein Arztbesuch brachte die Schockdiagnose Krebs für die 32-jährige Frau.

«Meine Schwiegermutter wollte gegen den Krebs ihrer Tochter mit Kräutern vorgehen», erzählt W. vorwurfsvoll. Als er mit seiner Frau bei Spezialisten war, hatte die junge Mutter bereits keine Chance mehr. Sie verstarb im November 2020 in einer Klinik. «Es war grausam, sie so elendig sterben zu sehen.»

Aus dem Haus der Schwiegermutter geworfen

Zum Trauern blieb ihm mit seinem Sohn Ramon aber keine Zeit. Noch am Todestag konsultierte die Schwiegermutter einen Anwalt und besorgte eine richterliche Verfügung für das Sorgerecht ihres Enkels.

Zwei Wochen später musste der Wittwer das Haus der Schwiegermutter, wo er mit seiner Frau in den letzten Monaten gewohnt hatte, ohne seinen Sohn verlassen. Sein Vermögen war wegen der Arzt-, Spital- und Reisekosten für die Behandlungen fast aufgebraucht.

Der Schweizer hat seinerseits auch einen Anwalt engagiert, damit er um seinen Sohn kämpfen kann. «Seit acht Monaten habe ich Ramon nicht mehr gesehen. Ich war an Weihnachten ohne ihn und konnte seinen zweiten Geburtstag nicht mit ihm feiern», bedauert der Vater.

Bei der Suche nach einem Anwalt lernte er eine Frau kennen, die ihn bei seinem Kampf um sein Kind unterstützt und ihm vorübergehend kostenlos ein Dach über dem Kopf und Essen bietet. Arbeit sucht der Schweizer seit Monaten vergebens. «Die Corona-Krise hat auch Brasilien schwer getroffen und ich bin hier ein Ausländer».

Warten auf Hilfe der Schweizer Botschaft

Mit der Schweizer Botschaft steht Beat W. seit Dezember 2020 in Kontakt. Im Frühling 2021 hat er erstmals umgerechnet 85 Franken als Vorschuss zur Unterstützung erhalten. «Dafür bin ich sehr dankbar, aber zum Überleben reicht das auch in Brasilien nicht.»

Für ein halbes Jahr haben ihm ab Juli 2021 die Schweizer Behörden inzwischen finanzielle Unterstützung schriftlich zugesichert. Bis jetzt hat er aber noch kein Geld gesehen.

«Der genaue Unterstützungsbeitrag unterscheidet sich je nach Land, Anzahl der betroffenen Personen im Haushalt und Umstände. Für eine Einzelperson in Brasilien sind das normalerweise umgerechnet etwa 170 Franken Haushaltsgeld, plus Miete und Nebenkosten, wie beispielsweise Strom und Internet» erklärt Stéphanie Périllard, Chefin der Abteilung Konsularischer Schutz beim EDA auf Anfrage.

Einige Angaben müsse Beat W. noch nachliefern, damit ihm die vorübergehende finanzielle Unterstützung in Brasilien ausbezahlt werde, so Périllard.

«Ich will zurück in die Schweiz»

Neben den finanziellen Sorgen hat er aber vor allem einen Wunsch: «Ich möchte meinen Sohn zurück und mit ihm in die Schweiz!»

Wie lange sein zermürbender und kostspieliger Kampf um Ramon in Brasilien dauert, ist ungewiss. Die Schweizer Behörden rechnen mit etwa vier Monaten.

Beat W. wird sich also weiter gedulden müssen, bis er seinen Sohn wieder in die Arme schliessen kann. Ein Besuchsrecht hat er nicht. «Dabei habe ich immer für meine Frau und mein Kind gesorgt und mir nichts zuschulden kommen lassen. Ramon fehlt mir», so der Vater.

Noch ist unklar, wie sein Leben nach einer Rückkehr in die Schweiz aussehen soll. Beat W. hat weder eine Bleibe noch einen Job in der Schweiz in Aussicht. Aber er ist zuversichtlich: «Ich mache jeden Job, auch wenn ich Abfalleimer leeren muss. Mir ist egal, wohin ich in der Schweiz mit Ramon ziehen muss. Hauptsache ich bin weg von hier.»

* Name geändert

Hilfe bei Notlagen im Ausland

Schweizer, die im Ausland in Not geraten, finden Beratung und Unterstützung bei der Sozialhilfe für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer (SAS).

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