In einem schmucken, älterem Bauernhaus mit Garten in Niederwenigen ZH empfängt Selin Spühler (28) Blick zum Gespräch.
Seit dem Sommer 2020 lebt die Schweizerin in der Einzimmerwohnung mit heimeligen Kachelofen im Untergeschoss ihres Elternhauses und wartet auf ihr Visum, damit sie wieder zurück in ihre neue Wahlheimat Los Angeles kann.
Vom Dorf in die weite Welt
«In diesem Haus bin ich geboren und mit meinen Eltern und meinen drei älteren Schwestern aufgewachsen», erzählt Spühler. Vom ländlichen Dorf im Zürcher Unterland hat es die damals 20-jährige Profitänzerin zuerst nach Amsterdam, später für drei Jahre nach London und 2019 schliesslich nach Los Angeles in die USA verschlagen.
In der winterlichen Schweiz auf dem warmen Ofenbänkli schwärmt Spühler von ihrem Leben unter der kalifornischen Sonne, von Palmen, Sandstränden und vom Meer. «Die Wärme gibt mir Energie und Motivation. In der Schweiz bin ich viel träger», findet sie.
«Meine Karriere war kein Kindheitstraum»
Ausserdem gefalle ihr in den USA die Weite und die fast unbeschränkten Möglichkeiten, Projekte und Ideen mit ihren internationalen Freunden zu verwirklichen. «Für meinen Job ist Los Angeles das Mass der Dinge, wenn man Karriere machen möchte», so die Zürcherin, die bereits in der Kindheit Ballett-Unterricht besuchte und später die Oberstufe an der Kunst und Sportschule absolvierte.
Als Teenager entdeckte Spühler ausserdem Flamenco, modernen Tanz und Hip Hop für sich. Nach der Schule absolvierte sie eine Ausbildung zur Ballettlehrerin. «Meine Karriere war kein Kindheitstraum», erzählt die Profitänzerin. «Ich bin da eher reingerutscht und konnte mir lange gar nicht vorstellen, dass man Tanzen als Beruf ausüben und sich damit den Lebensunterhalt verdienen kann.»
Vom Küchentisch auf die grossen Bühnen
Als Knirps hat Spühler mit ihren Schwestern auf dem Küchentisch oder im Wohnzimmer getanzt. Später tanzte sie nach ihren ersten TV- und Bühnenauftritten im Schweizer und im Deutschen Fernsehen, in den letzten Jahren dann auch auf den ganz grossen Bühnen.
Mit Weltstars wie Black Eyed Peas, Camila Cabello, Demi Lovato, Ricky Martin, Helene Fischer, Coldplay, Robbie Williams stand die Schweizerin auf der Bühne und sie war mit dem US-Rapper Tyga auf Tour.
Auch in zahlreichen Musikvideos oder bei Award-Verleihungen ist Spühler zu sehen. 2017 durfte sie an der Eröffnungsshow des Champions League Finales im Cardiff Stadion mittanzen, sowie 2021 bei der Performence mit dem Musikproduzenten und DJ Marshmello vor Millionenpublikum am TV beim UEFA CL-Finale in Porto.
Ein besonderer Höhepunkt sei für sie ein Auftritt neben Nick Carter von den Backstreet Boys gewesen, schwärmt sie: «Ich war als Mädchen in ihn verknallt. Beim Auftritt mit ihm hatte ich schon etwas Herzklopfen», gesteht sie lachend.
Enttäuschungen und Erfolge
Ihr Herz hat die Schweizerin in den USA aber an Jarrod Larell (36) verschenkt. Mit ihm wohnt sie seit einem Jahr zusammen in Los Angeles in einer Einzimmerwohnung.
Trotz Auftritten mit namhaften Künstlern führt die Schweizerin kein glamouröses Privatleben. «Reich wird man mit dem Job nicht.» Mit der Corona-Pandemie hat sich auch für die Schweizerin die finanzielle Situation nochmals verschärft. «Die Event- und Showbranche kam zum Erliegen und ich war froh, dass ich mich in den USA vorübergehend ich kleineren Nebenjobs in Tanzschulen über Wasser halten konnte.»
Durchhalten hat die Schweizerin gelernt. «Auch wenn meine Karriere sich easy anhört, hat mich das viel Fleiss, Schweiss und Tränen gekostet.» An den Audits zum Vortanzen sind manchmal bis zu 1000 Tänzerinnen und Tänzer, gegen die man sich durchsetzen muss.
Bis die Profitänzerin ihr neues Visum hat und zurück in die USA kann, versucht sie sich in der Schweiz fit zuhalten.
Zukunft als Pendlerin denkbar
Ob die junge Frau den Rest ihres Lebens in den USA verbringen möchte, weiss sie noch nicht, denn ihre Familie fehlt ihr sehr und sie hat oft mit Heimweh zu kämpfen.
Auch für ihre Eltern, die sie immer unterstützt haben, war ihr aussergewöhnlicher Beruf und die damit verbundenen Lebensumstände der Tochter und die Distanz nicht ganz einfach.
Umso mehr hat sich Selin über die Besuche ihrer Familie in den USA gefreut und in ihrer Freizeit Ausflüge mit ihnen unternommen. «Wenn ich Familie habe, kann ich mir gut vorstellen, dass ich wieder in der Schweiz meine Homebase habe und vielleicht zwischen den USA und der Schweiz pendle.»
Bis dahin möchte die junge Profitänzerin weiter durchs Leben tanzen und den American Way of Life geniessen.