Rausch ist eine menschliche Konstante, ist in einem Ihrer Artikel zu lesen. Gibt es Rausch ohne Gefahr?
Toni Berthel: In den meisten menschlichen Kulturen gab und gibt es den Wunsch nach Rausch. Lange Zeit fand er als Teil von Ritualen statt, da es zu gefährlich war, sich alleine zu berauschen – weil man sonst Naturgewalten oder wilden Tieren schutzlos ausgeliefert war. Der Philosoph Peter Sloterdijk sagt: Mit der Entritualisierung des Konsums kommt die Sucht. Hier beginnt die Gefahr.
Wieso wollen sich Menschen berauschen?
Die Gründe sind seit langem die gleichen: Es geht um Grenzüberschreitung, ums Glücklichsein. Der Rausch ermöglicht uns, neue Sinneserfahrungen machen zu können und Grenzen auszuloten, was vor allem im Jugendalter und der Pubertät eine besondere Rolle spielt. Der Rausch ist auch eine Erfahrung, die beim Übergang von der Kindheit ins Erwachsenenleben hilft.
Was braucht es, damit Rausch nicht zur Gefahr für die Gesellschaft wird?
Der Verkauf von berauschenden Substanzen muss reguliert sein. Jugendliche müssen zudem Vorbilder haben, die zeigen, wie mit dem Konsum von Substanzen wie dem Alkohol verantwortungsvoll umgegangen werden kann. Ausserdem ist es besser, wenn Jugendliche solche Erfahrungen in Gruppen machen. So können sie sich gegenseitig unterstützen, und der Rausch findet im Rahmen eines gemeinsamen Rituals statt.
Wären wir ohne den Rausch gesünder?
Fakt ist, dass durch Alkohol hohe Gesundheitskosten entstehen. In der Schweiz belaufen sich die durch Alkoholmissbrauch verursachten Kosten auf 2,8 Milliarden Franken im Jahr. Gleichzeitig müssen wir akzeptieren, dass sich gesund fühlen und gesund sein nicht nur mit der körperlichen Gesundheit zu tun hat, sondern eben auch mit der psychischen. Das Einnehmen psychoaktiver Substanzen gehört zum Erfahrungsschatz der Menschheit dazu. Wir sollten nicht den Rausch an sich hinterfragen, sondern unseren Umgang mit und unsere Einstellung zum Alkohol und zu psychoaktiven Substanzen.