Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen mit Mikro- und Nanoplastik in den Arterien möglicherweise ein höheres Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod haben. Die Ergebnisse, die am Mittwoch im «New England Journal of Medicine» veröffentlicht wurden, stellen erstmals eine Verbindung der winzigen Plastikpartikel mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen her.
Als Mikroplastik gelten Partikel, die kleiner als 5 Millimeter sind. Nanoplastik ist sogar noch weitaus kleiner – so winzig, dass man ihn nur mit einem Spezialmikroskop erkennen kann. Die Allgegenwärtigkeit der Mini-Plastikteile ist in den vergangenen Jahren unbestreitbar geworden. Sie wurden im Schnee in der Antarktis und in den Tiefen des Marianengrabens gefunden. Auch im menschlichen Körper konnten Mikro- und Nanoplastik schon nachgewiesen werden – im menschlichen Blut, in Muttermilch, im Urin, in der Plazenta sowie in Lungen- und Lebergewebe.
Bei mehr als der Hälfte der Patienten Mikroplastik gefunden
Raffaele Marfella von der Abteilung für fortgeschrittene medizinische und chirurgische Wissenschaften der Universität Kampanien Luigi Vanvitelli im italienischen Neapel ist der Hauptautor der neuen Studie. Gemeinsam mit seinen Kollegen hatte er die Studie initiiert, die sich mit neuen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beschäftigt.
Sie fragten sich, «ob Plastik in Form von Mikro- oder Nanoplastik unsere Arterien schädigen konnte». Das erklärte Marfella gegenüber NBC News. Menschen können die Plastikpartikel sowohl einatmen als auch verschlucken. Zudem kann der Kunststoff auch über die Haut in den Körper gelangen.
Um die Auswirkungen von Mikro- und Nanoplastik zu untersuchen, wandten sich die Forscher an eine Gruppe von Patienten, bei denen bereits eine Operation wegen einer Erkrankung namens Karotisstenose geplant war. Karotisstenose ist die Einengung (Stenose) in einer der beiden inneren Halsschlagadern. Sie kann durch Gefässverkalkung oder Fettablagerung entstehen. Die Folge ist eine verminderte Versorgung des Gehirns mit Blut. Die Wissenschaftler untersuchten insgesamt 257 Patienten und verfolgten ihren Gesundheitszustand durchschnittlich 34 Monate nach einer Operation.
Sie fanden Plastikpartikel – meist Nanoplastik – bei 150 Patienten. Bei der Nachuntersuchung kam es bei 20 Prozent dieser Patienten zu einem nicht tödlichen Herzinfarkt, einem nicht tödlichen Schlaganfall oder zum Todesfall. Bei den Patienten ohne erkennbare Plastikpartikel lag der Anteil nur bei 7,5 Prozent. Und: Die italienischen Forscher schauten sich die Entzündungswerte der Patienten an und stellten fest, dass diese mit zunehmendem Kunststoffanteil anstiegen.
«Ein fast fünfmal höheres Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis»
Bereinigt um Alter, Geschlecht, Body-Mass-Index und Gesundheitszustände wie Diabetes und abnormales Cholesterin hatten die Patienten mit nachweisbaren Mengen an Kunststoffen «ein fast fünfmal höheres Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis» als die anderen Patienten, so Marfella.
Die Studie hat also einen Zusammenhang zwischen den Plastikpartikeln und Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod aufgezeigt. Nicht nachgewiesen wurde bislang, dass Mikro- und Nanoplastik die kardiovaskulären Ereignisse auch verursacht haben. Dafür bräuchte es eine weitere Studie, wobei es unethisch wäre, Menschen absichtlich potenziellen Giftstoffen auszusetzen.
Da die Studie an einer sehr spezifischen Patientengruppe durchgeführt wurde, können die Ergebnisse nicht auf die breitere Bevölkerung übertragen werden. Aber sie könnte den Weg für zukünftige Studien ebnen.