In der Schweiz kennt man Saïda Keller-Messahli (64) seit Jahren als Kritikerin des Islamismus. Für ihr Engagement wird sie gelobt wie auch kritisiert. Einerseits gelingt es ihr immer wieder, Extremisten zu entlarven. Andererseits warf ihr beispielsweise NZZ-Journalist Simon Hehli vor, «fast alle unter Generalverdacht zu stellen, die eine andere Sicht auf den Islam haben als sie selbst.»
Ende Monat wird Keller-Messahlis erster Dokumentarfilm namens «Welchen Islam für Europa? – Die Bildungsinstitutionen der Muslimbruderschaft» am Filmfestival von Karthago in Tunesien gezeigt. Auch das Migrationsmuseum Brüssel zeigt den Film seinen Besuchern.
Was ist die Muslimbruderschaft?
Der Film soll didaktisch sein, sagt Keller-Messahli. «Denn obwohl das Thema Muslimbruderschaft ein Dauerbrenner ist, wissen viele Menschen kaum, was es damit auf sich hat.» Ein Teil des Films erklärt deshalb die vor rund 100 Jahren in Ägypten gegründete Muslimbruderschaft – die älteste und einflussreichste islamistische Bewegung weltweit.
Für den zweiten Teil des Films ist Keller-Messahli nach Belgien und Frankreich gereist und hat mit Menschen gesprochen, die wie sie selbst den politischen Islam infrage stellen. «Ich möchte damit eine Debatte darüber anstossen, welchen Islam wir hier in Europa wollen», sagt Keller-Messahli, die als Siebenjährige in einer Aktion des Menschenrechtsvereins «Terres des Hommes» von Tunesien in die Schweiz geholt wurde.
Scharfe Kritik und ein Aufruf an die Politik
«Es kann nicht sein, dass wir es in Europa mehrheitlich mit einem Islam zu tun haben, der frauenfeindlich und antisemitisch ist und die Muslime zurück ins 7. Jahrhundert schicken will», so Keller-Messahli. «Der Islam, so wie er heute in Europa organisiert ist, ist mehrheitlich hochpolitisch und finanziell von reichen Ölländern alimentiert und gestaltet – mit Religion hat das nicht mehr viel zu tun.» Deshalb fordert die Menschenrechtsaktivistin und Islamismus-Expertin die Schweizer Politik auf, genauer hinzuschauen und sich intensiv mit dem Thema zu befassen.
Mitglieder der Muslimbruderschaft kommen im Film nicht zu Wort. «Es ist ein brisantes Thema und natürlich sehr subjektiv», sagt Keller-Messahli. «Mit dem Film wollte ich keinen Journalismus machen – sondern einen Film, in dem ich meine Sicht auf das Thema vermittle.» Dass der Film nun ausgerechnet in ihrem Ursprungsland gezeigt wird, freut Keller-Messahli besonders. «Gerade in Tunesien findet ja zurzeit eine harte politische Auseinandersetzung zwischen den säkularen Kräften des Landes und der Muslimbruderschaft statt. Die Menschen wissen genau, wovon ich spreche.»