«It's the working, the working, just the working life», singt Bruce Springsteen in seinem Song «Factory». Die Arbeit und jene Menschen, die sie leisten, stehen am 1. Mai im Zentrum. Landauf, landab werden Reden gehalten. Maiabzeichen werden angesteckt. Aber Menschenmassen strömen keine mehr auf die Strasse. Doch der 1. Mai hat auf anderem Weg Einzug in unseren Alltag gefunden: über die Kultur. Ob Bruce Springsteen, Arbeiterlieder oder Mode – Symbole und Forderungen der Arbeiterbewegung sind überall. Sie prägen Musik, Literatur und Kunst. Wir zeigen Ihnen, wo und wie.
Held der Arbeit
Kaum ein Wort kommt in den Songs von Bruce Springsteen (72) so oft vor wie «work». So wie in seinem legendären Song «Factory», wo er von der Mühsal der Maloche singt: Jeden Tag müde aufstehen, Mittagessen einpacken und raus zur Arbeit in der Fabrik. Und am nächsten Tag wieder dasselbe. Seit fast 60 Jahren steht «The Boss» auf der Bühne. Er ist der erfolgreichste Rockmusiker überhaupt. Doch die einfachen Leute – gerade in den USA – verehren ihn immer noch als einen von ihnen. Was wohl auch damit zu tun hat, dass er bis heute deren Leben besingt. Springsteen selbst stammt aus dem industriellen New Jersey. Die Mutter Sekretärin, der Vater krampfte sich von einem Job in den nächsten. Seine Herkunft und Umgebung inspirierte ihn zum Album «Darkness on the Edge of Town» (1978), das ihn zu dem machte, was er bis heute ist: ein Working Class Hero.
Der 1. Mai in der Schweiz ist nur in einigen Teilen ein freier Tag, während in vielen Ländern an diesem Tag nicht gearbeitet wird. Warum das so ist und wie die Regelung in den einzelnen Kantonen lautet.
Der 1. Mai in der Schweiz ist nur in einigen Teilen ein freier Tag, während in vielen Ländern an diesem Tag nicht gearbeitet wird. Warum das so ist und wie die Regelung in den einzelnen Kantonen lautet.
Die Arbeit im Museum
Ganze 32,7 Stunden arbeiten wir Schweizerinnen und Schweizer im Schnitt die Woche. Grund genug für das Museum Schaffen in der Ex-Industriestadt Winterthur ZH, der Arbeit gleich ein ganzes Museum zu widmen. Von industriellen Revolutionen bis zur Corona-Pandemie: In momentan drei Ausstellungen widmet sich das Museum künstlerisch den Chancen, Gefahren, Hoffnungen und Ängsten der Arbeitswelt. Inklusive der Fragen: Nehmen uns Roboter die Arbeit weg? Verschmelzen Arbeit und Freizeit? Angeregt werden soll die Diskussion darüber, wie wir künftig arbeiten und leben wollen.
Museum Schaffen, Lagerplatz 9, Winterthur
Die irren Verirrten
Der Journalist Andreas Tobler zeigt in seinem Buch «Bändlistrasse» die dunkle Seite des Klassenkampfs. In einer aufwendigen Recherche konstruiert er die Hintergründe der linksextremen Gruppierung nach, die sich 1972 in einer WG in Zürich-Altstetten für den terroristischen Kampf rüstete. Tobler zeigt auf, welch prekärem Milieu die Mitglieder der Gruppe entstammten und wie Drogen und Hass auf das System sie dazu trieben, in einer Blockwohnung TNT herzustellen. Journalist Tobler hat mit allen noch lebenden Mitgliedern der Bändlistrasse gesprochen – und zeichnet ein eindrückliches Sittenbild der Schweiz der 70er-Jahre.
Andreas Tobler, «Bändlistrasse», Echtzeit
Die Arbeiterjacke
Sie ist simpel, nützlich und gut kombinierbar. Kurz gesagt: Eine Arbeiterjacke ist nie verkehrt. Sie scheint ein ewiges Must-have zu sein. Den gleichen Zweck wie vor rund 200 Jahren erfüllt sie allerdings nicht mehr. Ursprünglich wurde sie nämlich von französischen Arbeitern getragen. Während die Angestellten eine blaue trugen, machte sich der Chef mit einer weissen Arbeiterjacke erkennbar. Die locker getragene Jacke verriet aber nicht nur den Status, sondern schützte auch die eigene Kleidung. Auch wenn der Nutzen nicht mehr dem von früher entspricht, die typischen Jackentaschen erweisen sich auch heute noch als äusserst praktisch.
Bella Ciao
«O partigiano, O bella ciao, bella ciao, bella ciao ciao ciao …» Selbst wer kein Italienisch versteht, diese Textzeile dürfte niemandem fremd sein. Die «Bella Ciao»-Version, die durch die Netflix-Serie «Haus des Geldes» bekannt wurde, wurde in den letzten Jahren im Radio rauf und runter gespielt. Was viele der jungen Hörer über den Ohrwurm nicht wissen: «Bella Ciao» war im Zweiten Weltkrieg ein Protestlied gegen den Faschismus. Der Text passt aber in verschiedenen Situationen, weswegen das originale «Bella Ciao» auch als Arbeiterlied galt.
Eisenwalzen und Rauchsäulen
Weiss glüht das Eisen durch die Walzstrasse. In sengender Hitze bringen die Arbeiter das Metall mit ihren Zangen in die richtige Position, während die Walze es langsam verschlingt. Bis zur Decke steigen Russ und Rauch, Funken stieben durch die schwarze Luft. Dahinter warten weitere Arbeiter darauf, das gewalzte Stück in Empfang zu nehmen. «Das Eisenwalzwerk» von Adolph Menzel (1815–1905), das in der Berliner Alten Nationalgalerie hängt, bringt uns mitten in die Fabrikhalle Königshütte im damals deutschen, heute polnischen Oberschlesien. Anstatt den technischen Fortschritt der Industrialisierung anzupreisen, stellte Menzel in seinem beeindruckenden Gemälde die Arbeiter und ihre Arbeitsbedingungen ins Zentrum.
Die Realität im Mittelpunkt
Im 19. Jahrhundert veränderte sich das Leben dramatisch: Immer mehr Menschen folgten der Industrialisierung in die Städte. Auf engstem Raum wohnten und arbeiteten sie dort plötzlich unter furchtbaren Verhältnissen und in Ausbeutung zusammen. Die Industriearbeiter bildeten eine neue soziale Klasse: das Proletariat. Immense Veränderungen, die sich natürlich auch auf die Literaturepoche auswirkten: Die Idylle der Romantik war out, die harte Wirklichkeit in – und der Realismus war geboren. Autoren wie Jeremias Gotthelf (1797–1854, «Die schwarze Spinne») oder Charles Dickens (1812–1870, «Oliver Twist») ging es in dieser Stilrichtung zwar nicht darum, die Wirklichkeit eins zu eins abzubilden. Doch sollte sachlich und glaubwürdig geschrieben werden. Der Realismus (ca. 1848 bis 1890) beschäftigte sich unter anderem mit der Frage der Individualität in Zeiten der aufkommenden Massenproduktion. Noch heute gehören viele Romane der Epoche zur Weltliteratur und werden in der Schule gelesen.