Der Pionier der Naturforschung wird 250
Alexander von Humboldt zog es stets in die Ferne

Naturforscher und Gegner der Sklaverei - Alexander von Humboldt war seiner Zeit voraus. Zu seinem 250. Geburtstag am 14. September sind seine Erkenntnisse aktueller denn je.
Publiziert: 11.09.2019 um 14:49 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2019 um 14:50 Uhr
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Alexander von Humboldt auf einem Gemälde von Friedrich Georg Weitsch aus dem Jahre 1806. Seine Art die Welt zu sehen verbunden mit seiner Sprache machten seine Bücher so auergewöhnlich.
Foto: Keystone

Der deutsche Naturforschers Alexander von Humboldt (1769-1859) begann auf seinen Expeditionen in die «Neue Welt», wie Amerika damals genannt wurde, die Natur als zusammenhängendes Ganzes zu verstehen und war somit dem Denken seiner Zeit weit voraus.

Wegbereiter in vielen Disziplinen

Damit gilt Humboldt als Wegbereiter der Ökologie und der Pflanzengeografie. Ihm gelang es, die Pflanzenvielfalt nicht nur als Sammlung einzelner Arten zu erfassen, sondern sie in einen geografischen Kontext zu stellen. Humboldts Erkenntnisse wirkten weit über Europa hinaus. Heute wird Humboldt wiederentdeckt als Querdenker und Grenzgänger der Wissenschaft. 

Humboldt unternahm Forschungsreisen nach Lateinamerika, in die USA und nach Zentralasien. In seinen wissenschaftlichen Feldstudien widmete er sich unter anderem Fragestellungen der Physik, Chemie, Geologie, Vulkanologie, Botanik, Zoologie, Klimatologie oder Ethnologie.

Humboldts Erkentnisse sind aktuell wichtiger denn je

Seinen Namen tragen Berge, Flüsse, Städte und Nationalparks: Schon zu Lebzeiten galt Alexander von Humboldt (1769-1859) als berühmtester Wissenschaftler seiner Zeit. Der Forscher und Universalgelehrte hat das Naturverständnis nachfolgender Generationen wie kein anderer geprägt. «Alles hängt mit allem zusammen» - so lautete Humboldts grundlegende Ansicht, dass unsere Umwelt nur im Zusammenspiel mit den menschlichen Wirken zu betrachten sei.

Ob Artenvielfalt, Ressourcenschutz oder Klimawandel - zu Humboldts 250. Geburtstag an diesem Samstag (14. September) sind die Erkenntnisse des genialen Gelehrten aktueller denn je. «Sein vernetztes Denken passt in unsere Zeit», sagt der Romanist Ottmar Ette (Universität Potsdam), der auch Herausgeber zahlreicher Schriften ist. Denn Humboldt sei beides gewesen: Naturforscher und Kulturforscher und noch heute eine Leitfigur der Wissenschaft - von der Klimaforschung bis zur Anthropologie.

Zu Fuss, im Kanu und per Schiff um die ganze Welt

Neugierde und Begeisterungsfähigkeit waren Humboldts Antrieb, für seine Erkundungen auf dem amerikanischen Kontinent nahm er unglaubliche Strapazen auf sich, die heute, in Zeiten von Abenteuerurlaub und Massentourismus kaum vorstellbar sind. Zu Fuss, auf Mauleseln oder im Kanu reiste er Tausende Kilometer zwischen der Karibik und den Anden. Nach Christoph Kolumbus gilt er deswegen als «zweiter Entdecker Amerikas».

Mit seinem Begleiter, dem französischen Botaniker Aimé Bonpland (1773-1858), durchkreuzte er den Regenwald. Moskitos und die Angst vor Malaria gehörten dabei zu den kleineren Problemen. Mehrmals entkam Humboldt nur knapp dem Tod, etwa durch Curare-Gift oder Krokodil-Bisse.

Die Skizzen des Pioniers beschäftigen auch heute noch

Im heutigen Ecuador bestieg er den Vulkan Chimborazo. Bei dünner Luft und beissender Kälte kamen Humboldt und Bonpland im Juni 1802 auf etwa 5900 Meter, so hoch wie nach damaligem Wissen noch kein Mensch vor ihnen. Humboldts Naturgemälde des Chimborazo, auf dem er die Verteilung der Vegetationszonen aufzeichnet, beschäftigt bis heute die Wissenschaft.

Wer ist eigentlich Alexander von Humboldt?

Dabei wächst der Sohn eines preussischen Offiziers in komfortablen Verhältnissen auf. Auf dem Familienschloss in Berlin-Tegel, wo noch heute das Humboldt-Anwesen steht, geniesst er mit seinem älteren Bruder Wilhelm (1767-1835) die beste Erziehung, die man in jener Zeit erhalten kann. Die Mutter gilt als streng, aber sie sorgt dafür, dass die beiden Brüder exzellente Hauslehrer bekommen.

Wilhelm merkt früh, dass Alexander bei seinen Streifzügen durch den Tegeler Forst unterschiedliche Beobachtungen miteinander verknüpfen konnte. «Diese Gabe zur Kombinatorik zeichnet ihn bis zu seinem Lebensende aus», sagt Ottmar Ette. «Heute nennen wir das Vernetzung».

Humboldt zog es stets in die Ferne

Während des Studiums der Staatswirtschaftslehre in Frankfurt/Oder und später an der Freiberger Bergakademie schärft Humboldt seine Fähigkeiten für die Naturbeobachtung. Er führt Experimente am eigenen Körper durch, notiert jedes Detail, wenn sich als Folge etwa Ekzeme auf seiner Haut bilden. Die Wunden entzünden sich, doch Humboldt ist angesichts seiner Erkenntnisse glücklich, schreibt seine Biografin Andrea Wulf. Mit 22 Jahren wird er Bergbauassessor. Unter anderem erfindet er eine Grubenlampe, die auch bei wenig Sauerstoff in grosser Tiefe noch Licht abgibt.

Dank spanischer Krone auf den amerikanischen Kontinent

Aber Humboldt treibt es in die weite Welt. Er versucht zunächst in London und Paris eine Schiffspassage nach Amerika zu bekommen - vergeblich angesichts der Gefahren durch Seekriege und Piraten. Schliesslich gibt ihm der spanische König die Erlaubnis, nach Neuandalusien, dem heutigen Venezuela, zu reisen.

Zur Finanzierung seiner Reise greift er auf das von der Mutter hinterlassene Erbe zurück. An Bord der Fregatte «Pizarro» landet er beladen mit Messinstrumenten - Sextant, Fernrohr, Teleskop, Längenuhr, Barometer und Thermometer - 1799 in Cumaná an der Karibikküste. Er ist sofort von der Landschaft hingerissen. «Wie die Narren laufen wir bis jetzt umher», schreibt er an den Bruder.

Sklaverei hinterliess einen bleibenden Eindruck

Doch auch ein anderes Erlebnis hinterlässt tiefe Spuren: Der Sklavenmarkt von Cumaná, wo Menschen «wie auf dem Pferdemarkt» gehandelt wurden. «Zweifelsohne ist die Sklaverei das grösste aller Übel, welche jemals die Menschheit betroffen», schreibt er später in einem Essay über Kuba.

Fünf Jahre lang reisen Humboldt und Bonpland zwischen Karibik und den Anden. «Ich fühle, dass diese Eindrücke mich auch künftig oft erheitern werden», berichtet er an einen Freund. Diese Mischung aus Garten Eden und Eldorado, diese Fülle der Natur, habe den Wissenschaftler geradezu berauscht, so Humboldt-Forscher Ette.

Wichtige Stücke der Kartografie

Wie im Rausch ist er auch unterwegs. Auf einer Piroge, einem einfachen Boot, entdecken Humboldt, Bonpland und seine örtlichen Helfer die Verbindung zwischen den Strömen Orinoco und Amazonas. Sie kartieren die Landschaft, registrieren Pflanzen und Tiere. Er reist nach Kuba und nach Mexiko und erforscht den kalten Strom an der Westküste Nordamerikas, der heute seinen Namen trägt.

Der Entdecker nimmt alles von seinen Reisen nach Hause

Kistenweise lässt er seine Funde nach Europa verschiffen: Steinproben, Pflanzen, Tiere und Kulturobjekte. Bei seiner Rückkehr nach Europa wird er wie ein Star empfangen. In Berlin sind seine Vorträge Stadtgespräch. In mehr als 30 Bänden veröffentlicht er die Erkenntnisse der Amerikareise. Sein Buch «Kosmos» wird ein Bestseller. Angebote des Königs, Minister oder Botschafter zu werden, schlägt er aus. Als Liberaler ist Humboldt jede Verbindung zum königlichen Hof suspekt.

Humboldt eckte mit politischer Gesinnung an

Aber er bleibt rastlos und schmiedet Pläne für eine Expedition nach Indien und dem Himalaya. Die Reise kann er jedoch nicht realisieren. Einen Kritiker des Kolonialismus wollten die Briten und Portugiesen nicht in ihre Territorien lassen.

In Berlin wird er 1848 Zeuge der revolutionären Bewegungen in ganz Europa. Er sehnt sich nach einem vereinigten Deutschland, bleibt aber ein Kosmopolit. Als sich im Frühjahr 1849 das Scheitern einer konstitutionellen Monarchie in Deutschland abzeichnet, versinkt Humboldt in Pessimismus.

Er hatte erlebt wie sich die Französische Revolution dem Autokraten Napoleon zu wandte. Aus der Nähe hatte er auch beobachtet, wie der lateinamerikanische Freiheitsheld Simón Bolivar (1783-1830) nach dem Kampf gegen die spanischen Kolonialherren selber zum Diktator wurde. Der Wunsch der Menschen nach Reformen werde aber nicht erlöschen, schreibt er mit 80 Jahren.

Politisch lässt sich Humboldt aber schwer vereinnahmen, sagte Ottmar Ette. Zwar wurde er von der DDR ideologisch gerne in Anspruch genommen. Als Vordenker einer globalisierten Welt sei er aber glücklicherweise nie vom nationalistischen Diskurs vereinnahmt worden.

Zu Humboldts Tod im Jahr 1859 würdigt Preussenkönig Friedrich Wilhelm IV. den Republikaner Humboldt als «grössten Mann seit der Sintflut". Zehn Jahre nach seinem Tod, zu Humboldts 100. Geburtstag, erinnerten bereits Menschen in aller Welt an «den grössten Forschungsreisenden, der jemals gelebt hat» (Charles Darwin).

Korrespondenz mit klugen Köpfen

Humboldt pflegte weitverzweigte Korrespondenz mit bedeutenden Wissenschaftlern seiner Zeit. Forscher um Oliver Lubrich vom Germanistischen Institut der Universität Bern haben über tausend Schriften Humboldts zusammengetragen, die zu seinen Lebzeiten erschienen sind. Diese werden im Jubiläumsjahr 2019 in der «Berner Ausgabe» erstmals gesammelt herausgegeben. (SDA)

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