Die alte Lokalweisheit, dass man es erst im Ausland schaffen muss, bevor in der Schweiz auch nur ein Hahn nach einem kräht, hat ihre Berechtigung. Oder haben Sie schon jemals den Namen Nicolas Party gehört? Eben. Sollten Sie aber ab sofort kennen. Dem 39-jährigen Künstler ist die Schweiz schon früh eng geworden. Als Kind in Lausanne VD beginnt er mit fünf Jahren exzessiv zu zeichnen und findet ab zwölf eine Gruppe älterer Freunde, mit denen er des Nachts schwarz gekleidet durch die Gassen zieht, um der Polizei möglichst nicht beim Graffitisprayen aufzufallen – und Dutzende Male doch erwischt wird. Aufhören tut er nicht – er sei fast schon süchtig nach dem Adrenalin und der eingeschworenen Freundschaft der Gruppe gewesen. «Ich habe zehn Jahre gebraucht, um all die Bussen zurückzuzahlen», sagt er gegenüber dem Kunstportal artnet. Studiert hat er dann an der Glasgow School of Art in Schottland, seit Jahren lebt er in New York. Auf der Suche nach dem Adrenalin sei er seit seiner Graffiti-Zeit, deshalb arbeite er gern unter Zeitdruck an riesigen Wandbildern. Die Jagd nach dem Nervenkitzel hat sich für ihn jedenfalls gelohnt. Party hat es auf dem wohl allerhärtesten Pflaster der Welt geschafft: An Auktionen verkaufen sich seine Werke regelmässig für Hunderttausende von Franken, letzthin eines gar für 1,6 Millionen Franken.
Nicht «Hä?», sondern «Wow!»
Höchste Zeit, dass auch die Schweiz ihn endlich ehrt: Das Museo d'Arte della Svizzera Italiana (MASI) in Lugano feiert jedenfalls den Kunststar mit dem bezeichnenden, übrigens echten Nachnamen ab heute, 27. Juni, mit seiner ersten grossen Einzelausstellung in der Schweiz – und die ist wirklich einen Besuch im schönen Tessin wert. Denn, geben wir es zu: Oftmals können wir Normalbürger nicht wahnsinnig viel mit kontemporärer Kunst anfangen. Wenn man erst sämtliche Kindheitstraumata eines Künstlers kennen muss, plus die philosophischen Studien, die er unternommen hat, um so ansatzweise verstehen zu können, worum es im unverständlichen Kunstwerk geht, hängen viele Menschen ab. Nicht immer, aber manchmal zu Recht – oftmals sind es undurchsichtige Mechanismen im Kunst- und Sammlermarkt, die die Preise eines Werks in astronomische Höhen schnellen lassen. Und wer nicht im exklusiven Kreis drin ist, sieht sich das an und denkt: Hä?
Erste grosse Installation war Publikumssensation
Vielleicht liegt das daran, dass der Kunstmarkt und seine Investoren, Sammler und Galeristen einen grösseren Appetit haben, als wirklich gute Kunst verfügbar ist. Was natürlich die Frage aufwirft, was denn wirklich gute Kunst überhaupt ist. Eine subjektive Meinung könnte sein, dass Kunst zum Nachdenken anregen, aber auch bezaubern und verzaubern soll. Vielleicht ein sinnliches Erlebnis sein soll, ob sie nun das Hirn oder das Herz berührt. Dass Partys Kunst etwas in den Zuschauern auslöst, ist spätestens seit der Kunstmesse Brüssel 2017 klar. Dort installierte Party eine Art surreale Kapelle mit geschwungenen Torbögen und traumartigen Landschaften und Porträts in ungewöhnlichen Farbkombinationen – ganze Trauben von Besuchern drängten sich in Folge durch die Räume und versuchten ellbögelnd, einen Blick auf die Installation zu werfen, die Kunstkritiker mit Grössen wie Henri Matisse, Franz Marc, René Magritte oder David Hockney vergleichen.
Das Kunsthaus Zürich zeigt noch bis zum 25. Juli eine umfassende Ausstellung zu Landschaften des Ausnahmekünstlers Gerhard Richter.
Eine der bedeutendsten Ausstellungen ausserhalb Spaniens, die sich je mit Francisco de Goyas Werk beschäftigt haben, wird am 10. Oktober in der Fondation Beyeler in Basel eröffnet. Der grosse spanische Hofmaler lebte von 1746 bis 1828 und gilt als Wegbereiter moderner Kunst.
Ein grosser Teil von Oskar Kokoschkas Werk ist noch bis zum
5. September im Musée Jenisch in Vevey VD zu sehen. Der grosse Wiener Expressionist lebte bis zu seinem Tod 1980 in der Schweiz.
Das Museum Tinguely besteht seit 25 Jahren – das feiert sein Jubiläumsjahr mit diversen interaktiven Veranstaltungen, auch für Kinder, noch bis zum 29. August.
Das Kunsthaus Zürich zeigt noch bis zum 25. Juli eine umfassende Ausstellung zu Landschaften des Ausnahmekünstlers Gerhard Richter.
Eine der bedeutendsten Ausstellungen ausserhalb Spaniens, die sich je mit Francisco de Goyas Werk beschäftigt haben, wird am 10. Oktober in der Fondation Beyeler in Basel eröffnet. Der grosse spanische Hofmaler lebte von 1746 bis 1828 und gilt als Wegbereiter moderner Kunst.
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Vertretung durch Kunstmarktgiganten
In der Folge explodieren die Inboxen der kleinen Galeristen, die den Künstler in diversen Ländern vertreten – und eine Art Kunstmarkt-Gigant tritt auf den Plan: Die international tätige Schweizer Galerie Hauser & Wirth mit Niederlassungen in Zürich, London, New York, Los Angeles, Hongkong und Monaco beginnt, Party zu vertreten, und richtet 2020 in Los Angeles eine Einzelausstellung aus. Seither feiern die Preise für seine Werke ihr ganz eigenes Fest.
Neider sind nicht weit – ist dem Publikum egal
Ein solcher Erfolg ruft natürlich auch Neider und Kritiker auf den Plan – wie etwa der für seine scharfen Aussagen berühmt-berüchtigte US-Kunstkritiker Stefan Simchovitz: «Dekorativ, konservativ, harmlos, markttauglich», nennt er Partys Kunst und beleidigt dabei auch gleich die Leute, die seine Kunst mögen. Das seien «mittelmässige, einigermassen kompetent gebildete Menschen, die ihre kulturell engen Gedanken einfach um leicht verständliche Kunst wie die von Party wickeln können». Nun gut. Alle, die wie gesagt nicht unbedingt ein kombiniertes Psychologie-, Kunstgeschichte- und Soziologie-Studium brauchen, um sich von Kunst berühren zu lassen, alle, die nie verstanden haben, weshalb Kunst eigentlich kompliziert und unverständlich sein sollte, sind bei Party gut aufgehoben, um sich von der schieren Schönheit und der ungewöhnlichen Verspieltheit und Farbigkeit seines Werks verzaubern zu lassen. Die Ausstellung ist ein sinnliches Erlebnis – und das muss Kunst auch sein dürfen.