Im Land des Doppeladlers
Darum sollte man jetzt nach Albanien reisen

Albanien boomt und Touristenzahlen im Land steigen rasant. Wir haben das Balkanland besucht und herzige Dörfchen, ursprüngliches Lebensgefühl und Autofahrer entdeckt, die einem das Fürchten lehren. Nichts wie hin!
Publiziert: 18.07.2024 um 16:30 Uhr
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Aktualisiert: 20.07.2024 um 11:25 Uhr
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Die Küste des Ionischen Meers überrascht mit karibisch anmutenden Buchten wie der Grama-Bucht an der albanischen Riviera.
Foto: Shutterstock
Christian Bauer
Christian BauerReise-Journalist

Ein Glück, dass Verkehrsregeln für die albanischen Autobahnen nur ein Vorschlag sind. Das gibt die nötige Freiheit für drei Autos auf einer Doppelspur, für Pferdefuhrwerke auf dem Pannenstreifen, Velofahrer in Gegenrichtung und Gemüsestände an der Leitplanke. 

Autofahren in Albanien verlangt Abenteuerlust – und die Bereitschaft, das Unerwartete vorauszuahnen. Aber gerade deshalb ist ein Roadtrip die einzig wahre Art, den Balkanstaat zu bereisen. Auto mieten, über Spurrillen so tief wie Strassengräben rattern, in Roadside-Beizen Köfte (Fleischklösse) essen und verträumte Dörfchen entdecken.

Etwas mehr als eine Woche haben wir uns Zeit genommen, die Sightseeing-Spots im Süden des Landes abzuklappern: den mystischen Ohridsee, den bewaldeten Llogara-Nationalpark, die Ausgrabungsstätte von Butrint und die Unesco-Welterbestätten Gjirokaster und Berat. 

Die Highlights von Tirana

Albaniens Hauptstadt ist bunt (in den letzten Jahrzehnten hat man viel Farbe an die alten Fassaden gepinselt), schön ist Tirana allerdings nicht. Das ist aber kein Grund, nicht ein paar Tage in der 400'000-Menschen-Stadt zu verbringen. Denn Tirana begeistert vor allem durch seinen energischen Groove – viele Studenten sorgen für das tollste Nachtleben der Region. 

Wichtig zu wissen: In Albanien schmeisst man sich in die heissesten Outfits, die im Schrank zu finden sind – sonst wird man von den Türstehern abgewiesen. Wer schon mal da ist, sollte auch die Café- und Kneipen-Kultur geniessen, die in Albanien eine lange Tradition hat. Besonders viele Ausgehmöglichkeiten finden sich im Stadtteil Blloku, in dem früher die kommunistischen Politiker lebten. Und auch auf den Tellern tut sich was: immer mehr kreative Restaurants entstehen.

Viele Herrscher über die Jahrhunderte

Und schnell wird klar: Albanien ist vor allem für Kultur- und Geschichtsinteressierte eine spannende Mischung. Denn dank seiner zentralen Lage auf dem Balkan sah die Region viele Herrscher über die Jahrhunderte: die alten Griechen, die Römer, die Byzantiner und für etwa 500 Jahre die türkischen Osmanen. Sie alle formten das Land mit, und Letztere hinterliessen nicht nur ihre Architektur und Kochkünste, sondern auch ihre Religion: Albanien ist das islamische Land in Europa.

Insbesondere Berat mit seinen osmanischen Häusern ist ein Schmuckstück: Über die engen Gässchen, die aus groben Flusskieseln gepflastert wurden, schleppen Alte ihre Einkäufe nach Hause, und dort hüpfen Kinder Gummitwist. Frische Wäsche flattert im Wind. Vor den Geschäften am Flussufer türmt sich Praktisches: Plastikeimer, Blechrohre, PVC-Bodenbeläge. Tägliches Leben. 

Albanien: Daten und Fakten


Das Wichtigste im Überblick
HauptstadtTirana
Fläche28 748 km²
Einwohner2,402 Millionen
WährungAlbanischer Lek
Unabhängigkeit28. November 1912 (vom Osmanischen Reich)

Touristische Infrastruktur

Doch Berat steht, wie das gesamte Land, am Scheideweg. Viele Menschen ziehen aus den jahrhundertealten Häusern in die Neustadt, die sich wie ein Ring um den alten Kern gelegt hat. Gewiefte Geschäftsleute übernehmen die historischen Gebäude und wandeln sie in Boutiquehotels, Restaurants und Geschäfte um. In ein paar Jahren werden die Altstädte zu Freizeitparks in historischem Kleid – wie es in den meisten touristischen Orten rund um das Mittelmeer schon geschehen ist.

Das heisst: Die beste Zeit für einen Besuch in Albanien ist jetzt. Die touristische Infrastruktur ist noch nicht ganz ausgebaut, aber es sit eine Reise wirklich wert.

5 Highlights in Albanien

1. Butrint

Ein Kaleidoskop der abwechslungsreichen Geschichte zeigt die Halbinsel Butrint im Süden des Landes, die schon 1992 zum Unesco-Welterbe erklärt wurde. Zu sehen gibt es Tempel, Strassenzüge, Theater und Kirchen von den alten Griechen, den Römern, den frühen Christen und den Osmanen. Nicht verpassen bei einem Besuch sollte man auch das archäologische Museum, in dem man die besten Fundstücke der Halbinsel bewundern kann. 

2. Gjirokaster

Das südalbanische Gjirokaster wird passenderweise auch «Stadt der Steine» genannt. Die Häuser in dem Bergstädtchen (ca. 20'000 Einwohner) wurden aus dem lokalen grauen Stein gebaut, mit dem sogar die Dächer gedeckt sind. In der Altstadt befinden sich etwa 600 Bauten aus der Zeit der Osmanen (15. bis 19. Jahrhundert), weswegen Gjirokaster 2005 ebenfalls Unesco-Welterbe wurde. Einige der prachtvoll ausgeschmückten Häuser können besichtigt werden, wie beispielsweise das opulente «Zekate House», das über der Altstadt thront. Ebenso zu sehen sind Moscheen und Gebetsorte des islamischen Sufi-Ordens.

3. Albanische Alpen

Das Gebirge im Norden des Landes wird auch als die Albanischen Alpen bezeichnet. Die Gipfel reichen zwar «nur» bis knapp unter die 3000-Meter-Marke, das Gebirge mit seinen grünen Tälern und teilweise dichten Wäldern ist dennoch ein Schmuckstück. Passenderweise übersetzt sich der albanische Name auch als «Verwunschenes Gebirge». Da ist es fast schon selbstverständlich, dass hier Luchse, Wölfe und Bären durchs Gestrüpp schleichen und Adler um die Gipfel kreisen. Nebst wandern, kann man auch raften. Tipp: Viele Wanderwege sind markiert – oft allerdings ungenügend. Deshalb ist eine gute Ausrüstung und gutes Kartenmaterial besonders wichtig. 

4. «Wir waren das Nordkorea Europas»

Die Gründe sind Missmanagement und Korruption, aber auch die ehemalige Diktatur unter Enver Hoxha (1908–1985), der das Land 40 Jahre lang im Würgegriff hielt. «Wir waren das Nordkorea Europas», erzählen die Menschen. Hoxha forcierte eine extreme Form des Kommunismus und der Abschottung (etwa 200'000 Bunker im ganzen Land zeugen von seinem Verfolgungswahn). 

Im Jahr 1991 brach das System zusammen, und mit dem Chaos kam die Bauwut – leider. Denn ohne eine geregelte Bauordnung wurden viele Wohnblocks in die Höhe getrieben, die insbesondere die Badeorte Ksamil, Saranda und Vlora verschandeln. Das ist schade, denn die Strände im Süden des Landes, wo die Berge direkt bis zum Wasser reichen, gleichen herrlich kleinen Buchten mit tropisch-klarem Wasser.

Diese entdeckt man daher am besten, wenn man sich zu Fuss entlang der Küste aufmacht. Vom Städtchen Himara, etwa in der Mitte des Ionischen Meers, schlängelt sich ein ausgebauter Wanderweg zu verschiedenen Buchten Richtung Norden. Dann entfaltet Albanien seine wahre Schönheit: Verknöcherte Olivenbäume und Pinien wachsen hier, es duftet nach Rosmarin, Thymian und Ziegen, die meckernd durch das Gestrüpp ziehen. Wir finden eine felsige Bucht, kaum grösser als der heimatliche Garten. Niemand kommt vorbei. Herrlich. 

5. Ursprünglicher Charme

Zurück im Städtchen Himara sind wir erst nach Sonnenuntergang, wenn die Menschen auf der Mini-Flaniermeile bummeln. Es wirkt alles so gemächlich wie in anderen Beach-Destinationen vor 30 Jahren. Für Instagram-Bilder mag das nicht taugen, aber es hat einen ursprünglichen Charme, den man an vielen Feriendestinationen vergeblich sucht.

Tipp vom Profi

Packt in euer Koffer Toleranz, Offenheit für Neues und eine Portion Pioniergeist! Geht auf die Menschen zu, auch wenn ihr nicht die gleiche Sprache sprecht – Herzlichkeit kennt keine Sprachbarriere! Ihr werdet dieses Land und seine Bewohner in Ihr Herz schliessen. Albanien trumpft mit traumhaften Stränden, einfachem, aber sehr schmackhaftem Essen und noch unverbauter Natur auf. Aber nicht alle Strände sind wirklich schön, und beim Essen ist es von Vorteil, wenn man, wie ich, gerne Lamm isst. 

Die Strände im Süden am Ionischen Meer, der sogenannten Albanischen Riviera, sind aus meiner Sicht schöner als die im Norden. Einer der schönsten Strände ist der Gjipe Beach, welcher nur zu Fuss oder mit einem Geländewagen erreichbar ist. Der circa halbstündige Fussmarsch zum Strand lohnt sich. In Albanien kennt ihn jeder, bei uns ist er komplett unbekannt: der Folie Marine Club am Jale Beach. Diese Club-Anlage eignet sich bestens für Partygänger, welche im Juli/August bis frühmorgens am Pool durchtanzen wollen. Falls ihr nicht in der Hochsaison Albanien bereist, lohnt sich ein Besuch bei Syri i Kalter (blaues Auge). Diese Quelle ist die wasserreichste des Landes – mit ein-drücklichen Farben. 

Praktische Infos

Hinkommen: Swiss fliegt regelmässig von Zürich in die Hauptstadt Tirana. Mehr Informationen unter swiss.com.

Rumkommen: Ein Mietwagen ist unerlässlich, wenn man Albanien erkunden will. Zwar fahren zwischen den Orten Busse, diese benötigen allerdings viel Zeit. Autofahrer sollten jedoch sehr defensiv fahren, insbesondere bei Gegenverkehr ist Vorsicht geboten.

Reinkommen: Zur Einreise genügt ein Reisepass.

Buchen: Das Schweizer Reisebüro «Meersicht», das sich auf den Balkan spezialisiert hat, bietet individuelle Mietwagenrundreisen und Touren an. Mehr Informationen unter meersicht.ch.

Geld: Die offizielle Währung ist der albanische Lek.. Das Preisniveau im Land ist sehr niedrig. Kreditkarten werden in grösseren Hotels akzeptiert. Ansonsten sollte man genügend Bargeld dabei haben.

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