Die antike Stadt Plovdiv wurde im Süden Bulgariens auf sechs Gipfeln erbaut – vor etwa 8000 Jahren! Damit ist die europäische Kulturhauptstadt älter als altehrwürdige Städte wie Rom oder Athen. Angeblich ist Plovdiv die älteste durchgängig bewohnte Siedlung unseres Kontinents.
Die historischen Wurzeln der Multikulti-Stadt
Auch in der Fussgängerzone von Plovdiv – einer der längsten in Europa – finden sich die Spuren der Vergangenheit. In manchen Geschäften verrät ein Glasboden, was darunterliegt: das 180 Meter lange römische Stadion, das in der Blütezeit 30'000 Besucher beherbergen konnte. Das «bulgarische Rom» trug damals noch den klangvollen Namen Philippopolis. Die Hügel erinnern an das römische Stadtbild.
Tipp: Es lohnt sich, einen Blick auf das breite Tour-Angebot der römischen Ruinen in Plovdiv zu werfen. Man kann auch auf eigene Faust erkunden, verpasst dann jedoch einheimische Anekdoten.
Das Motto des Jahres: zusammen
Das Motto der Kulturhauptstadt lautet «Together», zusammen – eine Hommage an die diversen Kulturen, die im Schmelztiegel Plovdiv zusammenleben. Dazu gehören Roma, Türken, Armenier und Bulgaren sowie Christen und Muslime. Das Programm des Kulturhauptstadtjahres ist dementsprechend auf den multikulturellen Dialog ausgerichtet. Noch bis zum Ende des Jahres gibt es Ausstellungen zur darstellenden Kunst, Theateraufführungen, Tanzfeste und Konzerte zu erleben.
Street-Art im hippen Stadtteil Kapana
Mit dem Schwung des Kulturjahres hat sich in Plovdiv auch städtebaulich einiges getan. So hat sich das ehemalige Handwerkerviertel Kapana zum beliebtesten Stadtbezirk mit Werkstätten, Galerien, Ateliers und vielen gemütlichen Cafés gemausert. Auffälligstes Merkmal ist eine lebendige Street-Art-Szene. Kapana verbindet zudem Altstadt, moderne Innenstadt und Einkaufszone. Das Shopping-Erlebnis in Plovdiv ist erfrischend, weil man hier nicht von einem Geschäft einer internationalen Kette ins nächste taumelt. Stattdessen dominieren kleine Boutiquen.
Tipp: Der Graffiti-Künstler Stern hat die Gebäude von Kapana mit seinen fantasiereichen Figuren verziert. Bei einer Street-Art-Führung mit ihm lernt man die Stadt besonders authentisch kennen.
Das antike Erbe der Thraker
Plovdiv ist eine der am längsten dauerhaft besiedelten Städte der Welt. Die Spuren der Volksgruppe der Thraker führen bis in die Antike zurück. Sie herrschten für 2000 Jahre in Bulgarien, bis die Römer ihnen die Macht abrangen. Das Gebiet Thrakien wurde von ihnen geprägt und umfasste Teile des heutigen Bulgarien, von Griechenland und der Türkei. Dementsprechend besassen die Thraker auch ansehnliche Reichtümer. Im Archäologischen Museum von Plovdiv kann man ein ganz besonders kostbares thrakisches Vermächtnis bewundern: den Goldschatz von Panagjurischte. Er besteht aus Trinkgefässen und anderen Schmuckstücken, die aus insgesamt sechs Kilo reinem Gold gefertigt wurden.
Spuren des Osmanischen Reichs
Plovdiv wurde um 1364 von den türkischen Osmanen eingenommen, die 500 Jahre lang die Region besetzten. Dementsprechend viele Überbleibsel der einstigen türkischen Herren finden sich noch heute. Wichtigstes Bauwerk der Zeit ist die Dschumaja-Moschee aus dem 15. Jahrhundert, die grösste Freitagsmoschee der Osmanen auf dem Balkan. Nicht verpassen sollte man das Derwisch-Kloster Mevlevi Hane, in dem einst Sufis lebten, ein muslimisch-asketischer Orden, der vor allem für ekstatische Tänze bekannt ist.
Die Überbleibsel des Sozialismus
Die sozialistische Zeit Bulgariens ist den einheitlichen Gebäuden immer noch anzusehen. Auch an anderer Stelle bleibt die kommunistische Geschichte lebendig: Das Alyosha Monument auf dem Bunardzhik Hügel (Liberators' Hill) stellt einen elf Meter hohen sowjetischen Soldaten dar. Er steht stellvertretend für die Russen, die im Freiheitskampf gegen die Osmanen fielen. Schwermut kommt hier trotzdem nicht auf, denn von diesem Hügel hat man auch einen tollen Blick auf die umliegenden Berge.
Tipp: Genug Geschichte? Eine erfrischende Abwechslung nach der Besichtigung von Ruinen und historischen Stätten bietet das Bulgarische Flugzeugmuseum am Flughafen. Hier ist eine grosse Auswahl an technischen Zeitzeugen, unter anderem der kommunistischen Zeit Bulgariens und des Kalten Kriegs, ausgestellt.
Die «Art Liberty»-Ausstellung
Plovdiv versteht sich als Vermittler zwischen Ost und West, möchte Menschen näher zusammenbringen. Zu den über 500 kulturellen Events in diesem Jahr zählt unter anderem eine Ausstellung von Teilen der Berliner Mauer, genannt «Art Liberty». Künstler haben seit den 1980er-Jahren Teile der Mauer mit farbenfrohen Designs verziert. Auf diese Weise wird eine beklemmende Reliquie des Kalten Kriegs in etwas Schönes verwandelt.
Tipp: Auch die Ausstellung «Smoke. Tobacco Stories», die Geschichte fassbar macht, ist sehenswert. Plovdiv war einst Zentrum des Tabakhandels auf dem Balkan. Nun wurden die Viertel mit den Tabaklagern aus dem 19. Jahrhundert renoviert und wieder bewohnbar gemacht.