Weniger Ballast
Äussere Ordnung schafft Klarheit im Kopf

Ein weiterer Plan fürs neue Jahr: Mehr Ordnung halten. Weniger Krempel, mehr Lebensqualität – stimmt das so? Für Ordnungscoach Dagmar Schäfer ganz klar: Ja! Über den Trend, weniger zu besitzen.
Publiziert: 06.01.2023 um 11:46 Uhr
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Aktualisiert: 04.08.2023 um 16:33 Uhr
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Aufräumen, Sortieren, Umräumen und Kategorisieren – gut nicht nur für Ordnung zu Hause, aber auch für mehr Ordnung im Kopf.
Foto: Getty Images

Würde mich jemand fragen, wie viel Dinge ich besitze, ich könnte es nicht beantworten. Es sind viele – sehr viele Sachen – die bei mir zu Hause herumliegen. Manche brauche ich täglich, anderes mehrmals die Woche oder einmal im Monat – und dann gibt es noch die Dinge, die ich eigentlich kaum brauche.
«Warum bewahrst du etwas auf, das dir gar keine Freude bereitet oder du nicht benutzt?», fragt mich Dagmar Schäfer (40) berechtigterweise. Sie ist Ordnungscoach und setzt genau dort bei ihren Kundinnen und Kunden an: «Ich versuche nicht, jemanden zu irgendetwas zu überreden, sondern hinterfrage die Motivation hinter dem Behalten gewisser Dinge», so hilft die gelernte Tierärztin in ihrem Zweitjob unter dem Namen «Ordnungswunder» Menschen, die sich überfordert vom Chaos fühlen.

Schäfer selbst liebt schon von klein auf Strukturen und Ordnung. «Aufräumen, Sortieren, Umräumen und Kategorisieren liegen irgendwie in meiner Natur», sagt die geborene Süddeutsche, die seit 2008 in Zürich lebt. Sie ist auch überzeugt, dass ihre Neigung mit der bei ihr diagnostizierten Hochsensibilität zusammenhängt. Schäfer fügt hinzu: «Für mich bedeutet Chaos oder Unordnung im Aussen, Unruhe im Innern. Das überfordert mich extrem und ich kann dann innerlich nicht zur Ruhe kommen.»

Ein Luxusproblem

In den Augen der Ordnungsexpertin ist der minimalistische Lebensstil in den letzten Jahren durchaus zu einem Trend geworden. Schäfer fasst das gerne auch als «Luxusproblem» zusammen. «Ich bin überzeugt, dass Aussortieren so trendy geworden ist, weil wir alle einfach zu viel Zeug zu Hause haben!» Denn das Angebot sei schliesslich gross und wir damit oftmals überfordert. Jeder könne sich fast immer zu jeder Zeit alles kaufen, was er möchte. «Und davon kommt schliesslich diese Sehnsucht nach weniger. Der Wunsch danach, das Wesentliche wiederzufinden», fügt Schäfer an.
Die Corona-Pandemie habe mit Sicherheit den Hype noch mehr befeuert. «Man war ja ständig daheim und mit seinen ganzen Sachen konfrontiert, konnte der Unordnung nicht aus dem Weg gehen», erklärt die Ordnungsexpertin.

Sich der Herausforderung stellen

Für Schäfer heisst minimalistisch zu leben, aber nicht gleich so wenig Dinge wie möglich zu besitzen. «Beim Minimalismus geht es hauptsächlich darum, dass man die richtigen Dinge behält, diese ordentlich sowie kategorisiert aufbewahrt, und es eine verständliche Struktur dahinter gibt», ist die Professional Organizer überzeugt.
Den richtigen Zeitpunkt, um mit dem Aussortieren zu beginnen, spürt man laut Schäfer daran, wenn es einen belastet. «Das kann sein, dass man den Schrank öffnet und sofort schlechte Laune bekommt, weil man sieht, wie vollgestopft dieser ist», nennt die Ordnungsexpertin als Beispiel.
Wichtig ist, dass man selbst für die Herausforderung bereit ist. Drängen andere, wie Familienmitglieder oder Freunde, das Ausmisten in die Hand zu nehmen, ist es nicht der richtige Zeitpunkt. «Spüre ich, dass es sich bei einer Kundin oder einem Kunden um einen solchen Fall handelt, dann lehne ich ab.» Die Person, die loslassen soll, sollte sich laut Schäfer nachher schliesslich besser und nicht schlechter fühlen. Und genau das sei der wichtigste Punkt: «Wenn man sich bereit dazu fühlt, loszulassen, dann fühlt man sich danach leichter, besser, befreiter und klarer. Man hat mehr Zeit, weil man nicht mehr so oft die vielen herumliegenden Dinge aufräumen muss, und man hat auch mehr Geld, weil sich ja das Shoppingverhalten ändern muss, damit nicht gleich wieder Dinge angehäuft werden. Es sind so viele Vorteile, die der Prozess mit sich bringt.»

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Erinnerungsträger kommen zum Schluss

Ausmisten ist ein ständiger Prozess. Man sollte sich laut dem Profi keinesfalls zu viel auf einmal vornehmen, um nicht zu schnell wieder aufzugeben. «Besser sind kleine Schritte, die sind emotional viel erträglicher», rät Schäfer. Und schliesslich heisst es nicht umsonst: Übung macht den Meister! Auch hier empfiehlt es sich, sich an das Grosse mit viel Übung heranzutasten. «Man beginnt am besten mit Sachen, die nicht so emotional behaftet sind», fügt die Ordnungsexpertin an.

Denn von Objekten, die wir mit Erinnerungen oder Personen verbinden, können wir uns nur schwerlich trennen. Und das ist auch verständlich. «Zuerst nimmt man sich am besten die Küche oder das Bad vor und versucht zu spüren, was einem Freude macht und was nicht. So kann man das Loslassen trainieren. Und erst danach geht es an die emotionalen Dinge», erklärt Schäfer lächelnd. «Das mag vielleicht auch ein bisschen an Marie Kondo erinnern.»
Was immer auf jeden Fall wegkann, sind negativ konnotierte Dinge. «Also, Sachen, die mit negativen Gefühlen verbunden sind. Das sind immer extreme Energieräuber. Davon sollte man sich lösen.»
Wenn sich am Ende dann ein Gefühl von Leichtigkeit und Klarheit einstellt, hat sich der Weg gelohnt. Auch wenn das Ausmisten zwischendurch anstrengend, energieraubend und auch schmerzlich sein kann, tut es gut. Denn wie Schäfer zusammenfasst: «Erst wer für äussere Ordnung gesorgt hat, kann innerlich wieder klar sehen und ist bereit, sich mit gewissen Dingen auseinanderzusetzen, die im Innern passieren.»

6 hilfreiche Tipps fürs Ausmisten von Dagmar Schäfer

  1. Kleine Schritte machen! Am besten mit Dingen beginnen, an denen keine zu intensiven Emotionen hängen. Mit «Unwichtigerem» üben und dann sich vorwagen.

  2. Beim Ausmisten muss man ehrlich zu sich selbst sein und sich auch mit solchen Fragen auseinandersetzen: Wieso behalte ich etwas, das ich nicht benutze? Es ist also – ehrlich gesagt – einfach nur Ballast. Warum also halte ich daran fest?

  3. Es spielt keine Rolle, wie viel Dinge man besitzt. Wichtig ist nur, dass sie einem Freude bereiten und nicht negativ behaftet sind. Ist man sich nicht sicher, ob etwas ein positives oder negatives Gefühl auslöst, dann kann man es für ein paar Tage irgendwohin stellen, wo man es täglich sieht. So spürt man es irgendwann wie von selbst.

  4. Erinnerungsstücke, die lange herumlagen, einfach täglich nutzen. So etwa die Ohrringe von Oma von nun an jeden Tag tragen – das macht glücklich.

  5. Hinter dem Nichtloslassenkönnen steckt immer auch die Angst, eine Erinnerung womöglich zu vergessen, weil man das weggibt, woran sie hängt. Eine gute Lösung: Ein Foto davon machen.

  6. Räumlich begrenzen, kann man sich auch mit Boxen oder Schatullen, in denen man Erinnerungsstücke an eine Person sammelt. Darin kommen nur die wirklich besonderen Teile unter, an denen man hängt. Fotos (siehe Tipp oben) können ebenfalls rein.
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