Darum gehts
Blick: Allan Guggenbühl, sind Plastikwaffen für Kinder noch zeitgemäss?
Allan Guggenbühl: Spielzeugwaffen sind für Kinder eine Möglichkeit, sich mit einer Grundeigenschaft der Menschen auseinanderzusetzen, sie sind ein Symbol für Aggression. Wichtig ist der Kontext. Meistens sind es Erwachsene, die Spielzeugwaffen problematisieren. Man befürchtet, dass sich Kinder realen Waffengebrauch angewöhnen. Für Kinder sind Spielzeugwaffen jedoch keine realen Waffen, sondern Symbole, die Konflikt, Auseinandersetzung, Aggression repräsentieren. So nähern sie sich spielerisch diesen Themen an.
Welche Vorschriften sollen beim Spiel gelten?
Wichtig ist, dass Spielzeugwaffen als solche erkennbar sind und bestimmte Regeln eingehalten werden, nicht direkt auf unbeteiligte Menschen zu zielen zum Beispiel. Ich würde Kindern nicht proaktiv Waffen zum Spielen anbieten, sie aber nicht verbieten, wenn sich Kinder diese wünschen. Verbieten wir Kindern Spielzeugwaffen, dann sind sie erst recht fasziniert von ihnen. Kinder dürfen jedoch ruhig merken, dass wir an sich nicht Freude an Waffen haben.
Warum sind Kinder so fasziniert von Waffen?
Das Streben nach Macht und Einfluss ist etwas, das menschliche Gemeinschaften auszeichnet. Auch Kinder wollen sich mit anderen messen und suchen Auseinandersetzungen, um zu erfahren, wo der oder die andere steht. Gewalt ist ein Thema, das uns nie loslassen wird. Wer über Gewalt verfügt, kann bestimmen. Das finden Kinder spannend und gleichzeitig beängstigend. Wir Erwachsenen verdrängen diese Tatsache gerne, tun so, als ob wir alle nett zueinander sein könnten.
Ist es richtig, dass vor allem kleine Jungs gerne mit Waffen spielen?
Sehr viele Buben sind fasziniert von Gewehren, Schwertern und Pistolen. Für sie stellen diese gebündelte Aggression und Durchsetzungsfähigkeit dar. Pistolen haben jedoch in den letzten Jahren an Popularität verloren. Kinder realisieren schon sehr früh, dass Spielzeugwaffen nicht echt sind und menschliche Eigenschaften und Verhaltensweisen repräsentieren. Es handelt sich um Währungen, die für die meisten Jungs im Kindesalter wichtig sind. Wer ist grösser, wer ist stärker, wer gewinnt? Sie setzen sich also schon früh und intuitiv mithilfe der Waffen mit sozialen Dynamiken auseinander.
Und was ist mit den Mädchen?
Mädchen ticken in der Regel anders. Sie entdecken viel früher die Wirkung verbaler Aggressionen. Sie realisieren, dass sie sich dank entsprechender Worte durchsetzen, aber auch Mitmenschen verletzen können.
Soll man es verhindern, wenn Kinder Krieg spielen wollen?
Krieg spielen Kinder vielfach dann, wenn das Thema in der Luft liegt. Ein aktuelles Beispiel ist der Krieg in der Ukraine. Spielerisch versuchen sie, eine kollektive Besorgnis zu bewältigen. Während des Ersten und Zweiten Weltkriegs spielten Kinder oft, wie sie Nazis besiegen. Viele Kinder wählen heute historische Figuren. Sie spielen Legionäre oder sehen sich als Ritter. Solche Spiele helfen ihnen, das aktuelle Weltgeschehen einzuordnen und emotional zu verarbeiten.
Wenn das Kind fragt, wie erklärt man ihm den Krieg?
Kriege sind so komplex, dass selbst wir Erwachsene sie nicht verstehen und erklären können. Bei Kindern greift man am besten zu einer Geschichte. Wir erklären, dass es Menschen und Völker gibt, die sich nicht verstehen und die sich nicht mögen. Leider könne es dann vorkommen, dass der Konflikt in Gewalt ausartet. Da steckt menschliches Versagen dahinter, weil Menschen nicht vollkommen und vor allem nicht bedingungslos nett und freundlich sind. Wir können jedoch betonen, dass die meisten Menschen bemüht sind, Kriege zu verhindern, die Bedrohung des Krieges aber trotzdem immer Teil der Realität ist.
Wann und wieso werden Gewaltspiele heikel oder gar gefährlich?
Sie können ausarten, darum muss man als Erwachsener ein Auge auf die Kinder haben. Die Gründe sind aber meistens nicht die Spielzeugwaffen, sondern persönliche Belastungen. Es gibt Kinder, die traumatisiert wurden und sich deswegen hyperaggressiv verhalten und Hemmungen verlieren. Meistens merken Kinder selbst, wenn ein Kollege seine Aggressionen nicht im Griff hat und unter einem tieferen Problem leidet. In solchen Fällen wenden sich Kinder an Erwachsene, die dann eingreifen müssen, um Schlimmeres zu verhindern.