Jeder weiss, wie fies Arbeitskollegen untereinander sein können. Manche sticheln so subtil, dass du es nicht bewusst wahrnimmst. Drei Taktiken, die Übeltäterinnen und Übeltäter anwenden, erklärt von Arbeits- und Organisationspsychologe Stefan Heer (46):
Sie stellen sich dumm
Wie perfid diese Taktik angewendet werden kann, erklärt Heer anhand eines Falles aus einem Workshop für Teamentwicklung, den er geleitet hat: Ein altgedienter Mitarbeiter sass im Büro so, dass er den Eingang im Blick behalten konnte. Jedes Mal, wenn ein Kollege, der früher gehen musste, an ihm vorbeilief, blickte «die graue Eminenz» demonstrativ auf ihre Armbanduhr und machte ein verdutztes Gesicht. Wenn man den Mitarbeiter darauf ansprach, tat er, als verstehe er die Welt nicht mehr und sagte: «Ich wollte nur wissen, wie spät es ist.»
«Das war für die Belegschaft ganz furchtbar», sagt Heer. Junge Väter, die ihr Kind von der Kita abholen mussten, seien besonders gestresst gewesen. «Ich vermute, dass der Mitarbeiter sich mit dem Blick auf die Uhr aufplustern wollte.» Sich wichtig fühlen zu wollen, sei nichts Verwerfliches. «Sobald andere darunter leiden, muss Schluss sein mit solchen Spielchen.»
Sie verbreiten Gerüchte
Wenn jemand tratscht, um anderen zu schaden, klingt das in etwa so: «Hast du schon davon gehört, dass Michi sich offenbar für Annas Job interessiert?» Oder so: «Ich habe vernommen, dass Sandra offenbar eine Lohnerhöhung bekommen soll.» Heer: «Die Grenze zwischen Gerüchte verbreiten und Mobbing ist fliessend. Es kann sein, dass am Schluss alle wissen, was ich einer Person vorwerfe, nur sie selbst nicht.»
Als «Jungspund» sei er selbst einmal so genervt über einen Kollegen gewesen, dass er bei der Chefin über ihn gemotzt habe. Heer: «Sie sah mich an und sagte: ‹Stefan, ich stehe im Fall auf keiner Seite. Weder auf deiner noch aus seiner – kläre das doch mit ihm.› Diesen Satz kann jeder, der in einem Team arbeitet, anwenden, wenn ein Kollege beginnt, über einen anderen zu lästern.»
Sie schweigen absichtlich
Ich nehme an einer Sitzung teil. Jedes Mal, wenn ich argumentiere, diskutieren alle mit mir – ausser eine Person, die sich im Stuhl zurücklehnt, die Arme verschränkt und demonstrativ schweigt. Als Opfer solcher «Schweigattacken» fühle ich mich unsicher und beginne zu werweissen, ob der Angreifer mich für etwas bestrafen möchte oder findet, ich rede zu viel. Im schlimmsten Fall bringt mich das so aus dem Konzept und ich ziehe mich zurück.
Wer im Büro arbeitet, braucht Nerven wie Stahlseile
Diese Taktik treffe man in unterschiedlichsten Formen an, sagt Heer. «Mitarbeiter verwenden sie auch gegenüber Vorgesetzten, wenn sie Dienst nach Vorschrift machen.» Das heisst, dass sie schweigen, wenn sie Fehler erkennen, und ihren Job einfach so machen wie immer. «Wenn der Chef sie dann auf den Fehler hinweist, sagen sie: ‹Aber ich hab es doch genau so gemacht, wie es von mir verlangt wird.› Der Sündenbock ist dann der Chef.»
Heer veranschaulicht die Taktik anhand eines persönlichen Erlebnisses: Kürzlich sei bei ihm der Keller umgebaut worden. «Ich sah einen Bauarbeiter, der an einer völlig unlogischen Stelle ein Loch in den Boden bohrte. ‹Was machst du da? Dieses Loch gehört ganz woanders hin!›, sagte ich. ‹Ja, das weiss ich auch›, antwortete er. ‹Aber der Chef hat halt gesagt, dass ich an es an dieser Stelle bohren soll.›»
Stefan Heer (48) aus Bühler AR ist Arbeits- und Organisationspsychologe und CEO der Firma Leadnow. Ein Teil seiner Arbeit besteht daraus, im Auftrag von Unternehmen Teams dabei zu unterstützen, sich weiterzuentwickeln. Oftmals geht es dabei um Krisenmanagement. Sprich: Irgendetwas läuft schief. Heer muss herausfinden, wo das Problem liegt, und helfen, es zu lösen.
Stefan Heer (48) aus Bühler AR ist Arbeits- und Organisationspsychologe und CEO der Firma Leadnow. Ein Teil seiner Arbeit besteht daraus, im Auftrag von Unternehmen Teams dabei zu unterstützen, sich weiterzuentwickeln. Oftmals geht es dabei um Krisenmanagement. Sprich: Irgendetwas läuft schief. Heer muss herausfinden, wo das Problem liegt, und helfen, es zu lösen.