Freundschaften am Arbeitsplatz
Was ist eine Büroehe – und brauchen wir sie?

Hast du bei der Arbeit jemanden, dem du blind vertraust – und dich jeden Tag mit ihm austauschst? Dann führst du eine Büroehe. Ein Experte erklärt, ob das gesund ist.
Publiziert: 11.11.2023 um 20:25 Uhr
Die Arbeitskollegin als beste Freundin – das hat Vor- und Nachteile.
Foto: Getty Images
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Valentin RubinRedaktor Service

Viele Menschen verbringen über Jahrzehnte mehr Zeit ihres Tages mit Bürokollegen als mit ihrer Familie. Es sei daher wichtig, eine gute Beziehung zu Arbeitskollegen zu entwickeln, sagt Jürg Enderli (58), Karriere- und Laufbahn-Berater aus Zürich. «Dieses Verhältnis ist einer der wichtigsten Faktoren, die darüber entscheiden, ob man im Betrieb bleibt oder kündigt.»

Die Frage, wie eng ein Verhältnis unter Arbeitskollegen im Idealfall sein soll, ist laut Enderli allerdings schwierig zu beantworten.

Erfahrener Karriere- und Laufbahnberater

Jürg Enderli (58) arbeitet seit über 20 Jahren als Laufbahnberater und Karriere-Coach. Er berät Kunden in Zürich und Luzern. Zu ihnen gehören Privatpersonen, Unternehmen und Teams. Dem Problem, dass sich Arbeitnehmende wegen mangelnder Kollegialität im Job unwohl fühlen, begegnet Enderli fast täglich.

Jürg Enderli (58) arbeitet seit über 20 Jahren als Laufbahnberater und Karriere-Coach. Er berät Kunden in Zürich und Luzern. Zu ihnen gehören Privatpersonen, Unternehmen und Teams. Dem Problem, dass sich Arbeitnehmende wegen mangelnder Kollegialität im Job unwohl fühlen, begegnet Enderli fast täglich.

Im besten Fall verstehen sich Arbeitskollegen blind, vertrauen einander und können aufeinander zählen. «Ein solches Verhältnis fördert die Produktivität, die Arbeitsmotivation und die Loyalität zum Job», sagt Enderli. In den USA hat sich für eine solche besonders enge Arbeitsbeziehung ein eigener Begriff etabliert: «Work Spouse», Arbeitsehepartner. Auf Deutsch spricht man von einer Büroehe.

Beziehung ohne Filter und ohne Sex

Eine solche Büroehe beruht wie eine Ehe auf enger Vertrautheit und Partnerschaft – sie ist allerdings rein platonisch, das heisst nicht romantisch, ohne Intimität und ohne Sex. Die US-amerikanischen Kommunikationswissenschaftler Karla Bergen und Chad McBride schrieben 2017 in einer Studie zum Thema: Im Gegensatz zu normalen, eher funktionalen Beziehungen am Arbeitsplatz tausche man sich in Büroehen ungefiltert aus. Man zeige sich dem Gegenüber, ohne sich zu verstellen – so wie im Idealfall in einer Ehe auch.

Harmonieren Arbeitskollegen untereinander, hat das nicht nur Vorteile für das Geschäft, sondern auch für das Privatleben.
Foto: Getty Images

Dass eine Büroehe bestehende Ehen oder Liebesbeziehungen gefährdet, ist laut McBride und Berger unwahrscheinlich. Die beiden Forscher kamen vielmehr zum gegenteiligen Schluss: Wer bei der Arbeit eine Person habe, der man bedingungslos vertrauen könne, sei im Privatleben entspannter. Die Work-Life-Balance sei besser, der Stress reduziere sich. Und somit sei auch Streit zu Hause, in der richtigen Ehe, weniger wahrscheinlich.

Bis dass die Kündigung uns scheidet

Büroehen sind in der Arbeitswelt verbreitet. Umfragen aus Österreich und Grossbritannien haben gezeigt, dass rund 20 Prozent aller Arbeitnehmer schon einmal eine hatten. Laufbahnberater Enderli sagt, dass die positiven Effekte einer Büroehe überwiegen. Er gibt aber zu bedenken: «Wenn sich zwei Kollegen im Arbeitsleben zu stark aufeinander beziehen, kann das die firmeninterne Gruppendynamik beeinträchtigen.» Enderli erlebe zudem immer wieder, dass Arbeitnehmer kündigen, nur weil ihr Büro-Ehepartner das Geschäft verlassen habe. «In diesen Fällen macht man den Job vielleicht zu sehr abhängig von guten zwischenmenschlichen Beziehungen.» Das Problem sei, dass man jeweils nur schlecht steuern könne, wie lange, in welcher Form und mit wem man zusammenarbeite.

Trotzdem betont Enderli, wie wichtig gute Beziehungen am Arbeitsplatz sind: «Wenn Menschen rückblickend von den schönsten Aspekten ihrer früheren Jobs berichten, erwähnen sie fast immer die Freundschaften, die sich daraus ergeben haben.»

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