Vor über 15 Jahren stellte der US-amerikanische Autor und Forscher Dan Buettner (61) das Konzept der sogenannten «Blue Zones» auf. Gemeint sind damit Gebiete der Welt, in denen die Lebensdauer der Bewohner überdurchschnittlich hoch ist. Seither sind die Blue Zones der Fokus zahlreicher Studien, denn jeder möchte wissen: Was ist das Geheimnis der Hundertjährigen?
Sabina Misoch (51), Leiterin des Instituts für Altersforschung an der Ostschweizer Fachhochschule, interessiert sich besonders für eines dieser fünf Gebiete: die Insel Okinawa im Südwesten von Japan. Im Rahmen einer Forschungsreise ist sie dem Phänomen der Langlebigkeit auf den Grund gegangen.
Nicht nur Sache der Genetik
Das Phänomen der Hochaltrigkeit beschäftigt Forschende weltweit seit langer Zeit. Trotzdem ist es laut der Expertin noch immer nicht wirklich erklärt: «Zum einen gibt es bislang keine klar belegte Theorie, weshalb Menschen überhaupt altern», sagt sie. Zum anderen wisse man ebenso wenig, wie es dazu kommt, dass nicht nur einzelne Menschen, sondern ganze Gruppen von Menschen auf bestimmten Teilen der Erde auffällig viel älter werden, als an anderen Orten. «Wichtig ist dabei, dass diese Menschen vor allem meist auch gesund altern», betont Misoch.
Ging man früher von einer höheren Zahl aus, weiss man heute, dass nur 20 bis 30 Prozent der Langlebigkeit auf Genetik zurückzuführen sind. «Da dies eine ziemlich tiefe Zahl ist, beschäftigen sich immer mehr Forschende damit, herauszufinden, welche Faktoren die Hochaltrigkeit noch beeinflussen.»
Von Ernährung bis Integration
So wurde zu Beginn – besonders auf Okinawa – ein starker Fokus darauf gelegt, zu untersuchen, wie sich die Bevölkerung ernährt. Einerseits sei die Ernährung auf der Insel nämlich stark von China beeinflusst, andererseits haben die Bewohner eine ganz besondere Ernährungsphilosophie: «Hara hachi bu» – das bedeutet soviel wie «Ich esse nur soviel, bis ich zu 80 Prozent satt bin!».
Während die Ernährung ein spannender Teil der Altersforschung ist, beschäftigt sich Misoch vielmehr mit psychosozialen Faktoren, die nicht so stark messbar sind. «Dazu gehört beispielsweise der Alltagsrhythmus, die Lebenseinstellung oder die Integration in die Gesellschaft.»
Blick in die Zukunft
Gewisse Dinge sind der Expertin bei der Befragung besonders aufgefallen: «Im Gegensatz zu älteren Menschen bei uns begeben sich die älteren Bewohnenden der Insel nicht offiziell in einen Ruhestand, sondern gehen weiterhin ihren Tätigkeiten nach.» Dies liege unter anderem auch daran, dass die Bevölkerung von Okinawa sehr arm sei. Das Aktivbleiben im Alter ist in Misochs Augen ein klarer Punkt, der für ein gesundes Altern spricht.
Auch die Integration der älteren Bevölkerung in die Gesellschaft sei ein wichtiger Faktor. «Auf Okinawa herrscht ein sehr starker Gemeinschaftssinn. Die Menschen passen aufeinander auf und geben einander – vor allem auch der älteren Generation – das Gefühl, Teil einer Struktur zu sein.» Dass die Bewohner so auch im höheren Alter wissen, dass sie gebraucht werden und sie noch eine Funktion haben, spielt laut Misoch in der Langlebigkeit eine wichtige Rolle.
«Was mich im Gespräch mit diesen alten Menschen sehr beeindruckt hat, ist ihre stets positive Lebenseinstellung. Sie blicken zudem nicht zurück in die Vergangenheit, sondern sind sehr zukunftsorientiert», erzählt die Forscherin und erinnert sich an eine 94-jährige Dame, die ihr im Gespräch ausführlich ihre Pläne für das nächste Jahr verriet.