Gefährliche Partnerschaften
So erkennst du eine toxische Beziehung

Der neue Freund der Tochter, die neue Liebe des besten Freundes – doch dein Bauchgefühl sagt dir, etwas stimmt nicht. Laut Studien ist jede zweite Person in der Schweiz schon mal mit einer toxischen Beziehung in Berührung gekommen. So kannst du Betroffene unterstützen.
Publiziert: 22.10.2024 um 14:15 Uhr
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Aktualisiert: 19.11.2024 um 16:29 Uhr
Oft fühlen sich Betroffene nämlich allein und suchen die Schuld bei sich selbst.
Foto: Getty Images

Auf einen Blick

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Olivia RuffinerRedaktorin

Es braucht kein Fachwissen, um zu merken, wenn eine Beziehung aus der Balance gerät. Oft sind es Freundinnen, Schwestern oder Brüder, die als Erste spüren, dass etwas nicht stimmt. «Die Erfahrung zeigt, dass Menschen im engen Umfeld oft als Erstes Alarmzeichen wahrnehmen», sagt Simone Eymann (41), Geschäftsführerin von Tech against Violence. Der Verein engagiert sich gegen toxische Beziehungen und häusliche Gewalt.

Was ist überhaupt eine toxische Beziehung?

Wenn du den Verdacht hast, dass eine nahestehende Person in einer Beziehung steckt, die nicht gut für sie ist, ist der erste Schritt, sich zu informieren. «Es ist wichtig, zu verstehen, was mit einer toxischen Beziehung gemeint ist», sagt Eymann. Doch Vorsicht: «Der Begriff wird oft sehr vorschnell verwendet», ergänzt die auf Paarberatung spezialisierte Psychotherapeutin Johanna Friedli. Sie betont, dass jede Beziehung schwierige Phasen durchlaufen kann, aber damit noch lange nicht «giftig» ist.

Eine gültige Definition gibt es nicht, doch eine toxische Beziehung zeichnet sich durch einen wiederkehrenden Zyklus aus Liebe, Manipulation und Gewalt aus. Es beginnt oft als perfekte Romanze – diese Phase wird auch «Love-Bombing» genannt. Doch dann folgen schleichend Phasen der Manipulation und Kontrolle. Diese destruktiven Dynamiken wechseln sich mit Momenten der Versöhnung ab. «Typischerweise folgen Honeymoon-Phasen, nachdem es zu Gewalt gekommen ist», erklärt Eymann. Mit Gewalt meint Eymann nicht immer physische, sondern auch emotionale Gewalt wie Manipulation, Abwertung, extreme Eifersucht, Kontrolle, Isolation und Drohungen.

Simone Eymann, Geschäftsführerin von Tech against Violence, erklärt, dass in toxischen Beziehungen sich oft Sturmphasen und Honeymoon-Phasen abwechseln.
Foto: Amalia Freneuil

Woran erkenne ich eine toxische Beziehung?

Auch wenn toxische Beziehungen nach aussen oft wie das perfekte Paar wirken, gibt es klare Hinweise. Manipulation und Kontrolle spielen eine zentrale Rolle. Die betroffene Person fühlt sich zu Entscheidungen gedrängt, die sie nicht will, oder sucht die Schuld an der Disharmonie stets bei sich. In manchen Fällen ist die betroffene Person auch finanziell abhängig oder durch gemeinsame Kinder an den Partner gebunden.

Machtmissbrauch zeigt sich auch durch Einschüchterung, Drohungen oder ständige Abwertung. Häufig werden Betroffene von Freunden und Familie isoliert – etwa indem sie sich gezwungen sehen, in eine andere Stadt oder gar ins Ausland zu ziehen. In extremen Fällen kommt es sogar zu Stalking, sei es durch GPS-Überwachung oder Kameras.

Was kannst du tun, wenn du den Verdacht hast?

Wenn du Anzeichen dafür siehst, dass jemand in deiner Nähe in einer toxischen Beziehung steckt, ist es wichtig, vorsichtig und einfühlsam vorzugehen. Suche in einem sicheren Rahmen das Gespräch, bestenfalls hast du bereits Adressen zu Informations- und Anlaufstellen bereit, rät Paarberaterin Friedli.

«Wichtig ist es, zuzuhören, ohne zu verurteilen», sagt Friedli. «Sonst fühlt sich die Person noch schlechter und hört auf, zu erzählen.» Teile der betroffenen Person mit, dass sie nicht allein ist und dass sie ihre Gefühle äussern darf, ohne dafür verurteilt zu werden.

Wenn du Anzeichen in deinem Umfeld erkennst, solltest du an einem sicheren Ort das Gespräch suchen, meint Paartherapeutin Johanna Friedli aus Zürich.
Foto: Caroline Krajcir Fotografie Zürich

Du solltest ausserdem darauf achten, wie du sprichst. Zu viel Kritik führt dazu, dass die Person sich noch mehr in die Enge getrieben fühlt oder Scham empfindet. Sätze wie «Ich habe es dir doch gesagt» helfen nicht. Oft ist es schwer nachvollziehbar für Angehörige, wieso eine Person die Beziehung nicht einfach verlässt. Ungeduld und Unverständnis sind aber in diesem Fall destruktiv.

Gib der betroffenen Person zu erkennen, dass du jede ihrer Entscheidungen respektierst und unterstützt. «Es ist entscheidend, ihnen zu vermitteln, dass sie nicht verrückt sind und dass die Schuld nicht bei ihnen liegt», ergänzt Eymann von Tech against Violence.

Wie geht es weiter?

Der Ausstieg aus einer toxischen Beziehung ist ein langer, oft komplizierter Prozess. Die Betroffenen müssen selbst den Schritt machen, doch du kannst sie auf diesem Weg unterstützen. Sei geduldig, stehe ihnen bei, und biete Hilfe an, ohne Druck auszuüben. Manchmal reicht es schon, einfach da zu sein und zuzuhören.

Brauchst du Hilfe?

Opferhilfe Schweiz: Hier kannst du dich als Freund oder Familienmitglied melden, wenn du dir Sorgen um jemanden in deinem Umfeld machst. Die kantonale Opferberatungsstelle hilft dir entsprechend weiter.

#withyou: ist eine von dem Bund unterstützte Plattform zur Früherkennung und Bekämpfung von toxischen Beziehungen und häuslicher Gewalt. Die Plattform bietet digitale Tools und Entscheidungshilfen für Betroffene und Angehörige.

Kantonspolizei: Bekommst du Formen von Gewalt als Nachbar durch die Wände mit, dann melde dich bei der Präventionsstelle der Kantonspolizei. Der Kanton Zürich hat dafür eine spezielle Website mit weiteren Informationen eingerichtet. Bei einem Notfall sofort die Polizei rufen: Telefonnummer 117.

Opferhilfe Schweiz: Hier kannst du dich als Freund oder Familienmitglied melden, wenn du dir Sorgen um jemanden in deinem Umfeld machst. Die kantonale Opferberatungsstelle hilft dir entsprechend weiter.

#withyou: ist eine von dem Bund unterstützte Plattform zur Früherkennung und Bekämpfung von toxischen Beziehungen und häuslicher Gewalt. Die Plattform bietet digitale Tools und Entscheidungshilfen für Betroffene und Angehörige.

Kantonspolizei: Bekommst du Formen von Gewalt als Nachbar durch die Wände mit, dann melde dich bei der Präventionsstelle der Kantonspolizei. Der Kanton Zürich hat dafür eine spezielle Website mit weiteren Informationen eingerichtet. Bei einem Notfall sofort die Polizei rufen: Telefonnummer 117.

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