Wieso braucht es einen Online-Speicher für häusliche Gewalt?
Häusliche Gewalt findet fast immer im Verborgenen statt und nimmt im Lauf der Zeit oft an Häufigkeit und Schwere zu. Für die Betroffenen erfordert es viel Mut, aktiv zu werden und Anzeige zu erstatten. «Wir haben uns gefragt: Wo kann Technologie einen Unterschied machen?», sagt Simone Eymann-Pasquini (41), Geschäftsleiterin des Vereins «Tech against Violence». Mit dem Tool «Safe withyou» soll ein grosses Problem im Kampf gegen häusliche Gewalt gelöst werden: In vielen Fällen fehlt es an Beweisen, was eine Strafverfolgung sehr schwierig macht. Das kann verschiedene Gründe haben: Entweder getrauen sich die Opfer aus Angst vor ihrem Partner nicht, oder eine Dokumentation erscheint ihnen zu kompliziert. «Mit Safe withyou bieten wir Betroffenen eine unabhängige Plattform, auf der sie Gewaltvorfälle einfach und sicher erfassen können. Beweise auf dem Handy zu speichern, ist für viele Betroffene riskant», erklärt die Geschäftsleiterin Eymann-Pasquini.
Wie funktioniert das Tool?
Nach dem Erstellen eines Benutzerkontos können Betroffene Fotos von Verletzungen, Sprachnachrichten, Chatverläufe und Arztberichte speichern. Diese können bei Bedarf in Form einer Beweismappe heruntergeladen werden. Wird jemand verfolgt, gestalkt oder belästigt, kann auch das in einem digitalen Tagebuch festgehalten werden. Wichtig dabei: Alle Daten sind verschlüsselt und nur für den Nutzer oder die Nutzerin zugänglich. Die Webseite ist auf Deutsch, Französisch, Italienisch, Englisch und Spanisch verfügbar. Ob die Betroffenen letztlich wirklich Anzeige erstatten wollen, ist ihnen überlassen.
Wer steht dahinter?
Hinter der Webseite steht der Verein «Tech against Violence», eine Organisation, die sich auf die Entwicklung digitaler Lösungen gegen Gewalt spezialisiert hat. «Für Safe withyou haben wir ein Jahr recherchiert und beispielsweise eng mit der Stadtpolizei Winterthur zusammengearbeitet», erzählt Eymann-Pasquini. Auch der Chefarzt für Rechtsmedizin des Kantonsspitals Graubünden sowie die Stiftung gegen Gewalt an Frauen und Kindern haben bei dem Projekt mitgewirkt. Finanziert wird der Verein unter anderem vom Eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Frau und Mann. Die Geschäftsleiterin kann sich ein Ausbau des Konzepts durchaus vorstellen: «Allenfalls könnte man für andere Arten von Gewalt eine ähnliche Funktion entwickeln. Aber jetzt schauen wir zuerst einmal, wie viele Menschen das Tool benutzen.»
Wie kam es dazu?
In einem ersten Projekt mit dem Namen #withyou konzentriert sich der Verein auf die Sensibilisierung zu den Themen toxische Beziehungen und häusliche Gewalt. Dazu wurde eine Umfrage durchgeführt und die Webseite #withyou lanciert. Die Zahlen liefern eine deutliche Antwort: «Seit Ende August 2022 wurde die Webseite von knapp 32'000 Personen über 105'000-mal besucht. Der Fragebogen zur Gesundheit einer Beziehung wurde fast 30'000-mal ausgefüllt», erklärt Eymann-Pasquini. «Safe withyou ist jetzt eine Weiterführung, damit Personen, die von häuslicher Gewalt und Stalking betroffen sind, einen sicheren Ort zum Speichern von Beweismitteln haben.»