Viele leiden vor allem in den Wintermonaten unter anhaltender Müdigkeit. Dieser Zustand kann Ausdruck eines Nährstoffmangels sein. Chronische Müdigkeit ist das Hauptsymptom dabei. Betroffene Menschen fühlen sich abgeschlagen und weniger leistungsfähig, die Aktivität im Alltag nimmt ab und das Bedürfnis nach Schlaf steigt.
Was bringen Ergänzungsmittel?
Laut der Ernährungserhebung MenuCH und einer Studie aus Lausanne greifen etwa 30 bis 40 Prozent aller Schweizerinnen und Schweizer zu Nährstoffsupplementen. Doch wie viel bringen diese Ergänzungsmittel tatsächlich? Und woher weiss man, ob man wirklich einen Nährstoffmangel hat? David Fäh (48) ist Arzt und Ernährungswissenschaftler an der Berner Fachhochschule und liefert Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema Nährstoffe.
«Unterhalb welcher Zufuhr Mangelerscheinungen auftreten, ist schwierig festzustellen, da entsprechende Studien aus ethischen Gründen nicht durchgeführt werden können», sagt Fäh zu Blick. Auch hätten verschiedene Länder jeweils ihre eigenen Richtlinien zum nötigen Mass an Nährstoffen. Das erschwere es zusätzlich, die Grenze für einen Mangel festzulegen.
Hohe Dosen bergen Risiken
Der Ernährungswissenschaftler glaubt jedoch, dass die Schweizer Bevölkerung mehrheitlich gut mit den nötigen Nährstoffen versorgt ist und dass Supplemente häufig sogar überflüssig sind. «Oft nehmen Leute Nährstoffsupplemente, weil sie beispielsweise gehört haben, dass Müdigkeit ein Anzeichen für Eisenmangel sein kann. Kann, muss aber nicht. Oft stecken hinter solchen Symptomen andere Probleme und kein Nährstoffmangel», erklärt Fäh.
Auch bei Supplementen gilt, dass zu viel des Guten schädlich sein kann. «Manche Vitamine fördern schnell wachsende Zellen. Dazu zählen leider auch Krebszellen», stellt der Arzt klar. Beispielsweise könne eine hohe Dosis an Vitamin A bei Rauchern das Krebsrisiko erhöhen, zu viel Folsäure aus Supplementen könne das Risiko für Prostatakrebs steigern und Vitamin E könne das Blut verdünnen, was ein grösseres Risiko für einen «blutigen» Hirnschlag mit sich bringt. Deshalb ist es wichtig, die Einnahme von Supplementen mit einem Arzt zu besprechen, vor allem, wenn diese hoch dosiert sind und die Einnahme dauerhaft ist.
Anzeichen, dass man zum Arzt gehen sollte
Die häufigsten Anzeichen, die auf einen Nährstoffmangel hinweisen können, sind laut Fäh die folgenden:
- anhaltende und «hartnäckige» Müdigkeit
- chronisch verminderte geistige/körperliche Leistungsfähigkeit
- Blutarmut, schneller Herzschlag, Kurzatmigkeit
- blasse Haut, schlechte Durchblutung
- depressive Verstimmung und neurologische Symptome
- Veränderung an Nägeln, Haut, Haaren, Zunge, Mundschleimhaut
- bei Kindern/Jugendlichen: Störungen des Wachstums und der Entwicklung
Die häufigsten Nährstoffmängel in der Schweiz
David Fäh vermutet als häufigste Nährstoffmängel in der Schweiz die folgenden:
- Eisenmangel ist in der Schweiz ein mögliches Problem, da der Mangel häufig nichts mit der Zufuhr zu tun hat. Frauen verlieren durch die Menstruation viel Eisen. Im Alter kann ein nicht mehr gleich leistungsfähiger Magen-Darm-Trakt die Aufnahme von Eisen ebenfalls erschweren. Auch chronischer Blutverlust über den Verdauungs- oder Harntrakt ist im Alter häufiger.
- Ein Vitamin-B12-Mangel ist seltener, da Vitamin B12 relativ lange von der Leber gespeichert wird. Allerdings besteht bei Veganern die Gefahr eines B12-Mangels, da das Vitamin nur in tierischen Produkten vorkommt. Natürliche, vegane B12-Quellen, wie Algen, können vom Körper nicht immer gut verwertet werden. Auch ältere Personen mit Magenentzündung sind häufiger von einem B12-Mangel betroffen.
- Folsäure ist ein B-Vitamin, welches vom Körper sehr schnell verwertet und nur kurz gespeichert wird. Es spielt hauptsächlich in der frühen Entwicklungsphase eines Kindes eine zentrale Rolle. Vor allem Schwangere sollten genug Folsäure zu sich nehmen, um Missbildungen wie Spina bifida (offener Rücken) zu vermeiden.
- Häufig wird im Winter bei der Schweizer Bevölkerung eine Unterversorgung mit Vitamin D festgestellt. Der Nährstoff wird von unserem Körper durch Sonnenlicht selbst produziert. Fäh ist der Meinung, dass es im Winter normal ist, einen relativ tiefen Vitamin-D-Spiegel zu haben. Vor allem, da die Grenze, ab wann es als Mangel gilt, von Land zu Land variiert. Wichtig ist eine gute Versorgung mit Vitamin D bei Kindern, Frauen mit Kinderwunsch und Schwangeren. Das Vitamin D unterstützt nämlich bei Heranwachsenden den Einbau von Calcium in den Knochen.
- Jod- und Selenmangel können in der Schweiz vorkommen, da der Boden und somit die darauf angebauten Lebensmittel nicht ausreichend von diesen Nährstoffen enthalten. Aus diesem Grund hat der Bund beschlossen, Kochsalz und Tierfutter zu jodieren. Bei Selen ist das zurzeit nicht nötig, da z.B. Teigwaren aus der Schweiz aus natürlicherweise selenreichem Weizen, z.B. aus den USA, hergestellt wird. So sollte sich ein Mangel dieser Nährstoffe gut vermeiden lassen.
Bei Verdacht auf einen Nährstoffmangel empfiehlt Fäh, ein Blutbild beim Arzt machen zu lassen. «Anhand der Anzahl und dem Aussehen der Blutkörperchen kann der Arzt anschliessend einschätzen, ob das Symptom von einem Nährstoffmangel ausgelöst wurde und wie man das Problem am besten beheben kann», so der Arzt.
Supplemente sind oft nicht die Lösung
Nährstoffmängel können nicht immer mit Supplementen behoben werden, wie Fäh ausführt: «Häufig liegt das Problem eines Nährstoffmangels nicht in der Zufuhr, sondern in der Aufnahme im Körper.» Der Ernährungswissenschaftler nennt als Beispiel den Magen-Darm-Trakt, der im Alter oft nicht mehr so leistungsfähig ist. «Wenn der Körper die Nährstoffe nicht aufnehmen und verarbeiten kann, nützt es wenig, einfach nur Nährstoffe zu supplementieren.» Wichtig sei, dass die Ursache des Mangels behoben wird.
Manchmal ist es allerdings die Art der Zufuhr selbst, welche nicht stimmt. «Manche Nährstoffe können nur in Kombination mit etwas anderem effizient vom Körper genutzt werden», sagt der Arzt und gibt als Beispiel Vitamin D3 und Vitamin K2 an. «Und manchmal muss die Zufuhr von gewissen Nährstoffen, wie Eisen oder Vitamin B12, durch eine Infusion oder Spritze zugeführt werden, damit diese in den Körper gelangen.»