Virologe Drosten rechnet mit starker Krankheitswelle vor Dezember
«Die Infizierten werden immer noch krank genug»

Der deutsche Virologe Christian Drosten rechnet mit einer grossen Corona-Welle noch vor Dezember. Denn trotz der Impfung infizieren sich immer noch viele Menschen mit dem Virus – und das könnte zum Problem werden.
Publiziert: 10.09.2022 um 10:32 Uhr
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Der deutsche Virologe Christian Drosten warnt vor einer neuen Corona-Welle – noch vor Dezember!
Foto: DUKAS

Der Herbst hält Einzug in Europa. Und mit ihm die Sorge vor einer neuen Corona-Welle. Auch der deutsche Virologe Christian Drosten (50) blickt der kalten Jahreszeit mit Sorge entgegen. Im Gespräch mit der «Süddeutschen Zeitung» warnt er gar vor einer starken «Inzidenzwelle» von Corona-Infektionen «noch vor Dezember».

Die Pandemie sei erst vorbei, wenn keine neuen Wellen mehr entstehen, die gesellschaftliche Probleme bereiten. Und dieses Stadium sei noch immer nicht erreicht – noch immer würden neue Virusvarianten entstehen, die für viele neue Krankheitsfälle sorgen, so der Institutsdirektor der Berliner Charité.

Infizierte werden wieder vermehrt Symptome haben

Auch wenn die Impfungen vor schweren Erkrankungen schützen: «Die Infizierten werden immer noch krank genug.» Und das sei weiterhin ein Problem, denn: «Infizierte kommen vielleicht nicht ins Krankenhaus, aber sehr viele sind eine Woche krank. Wenn es zu viele auf einmal sind, wird es zum Problem», so Drosten. Durch die vielen Erkrankten könnte es zu Engpässen im Arbeitsalltag kommen.

Aktuell würden zwar wenig Infizierte noch etwas von ihrer Infektion mit dem Coronavirus spüren, doch das werde sich laut Drosten bald ändern. «Die Leute, die sich mit BA.5 oder BA.2.75 infizieren, haben Symptome. Das liegt daran, dass die Viren verändert sind, das Immunsystem braucht also etwas mehr Anlauf, um sie zu bekämpfen.» Deshalb – Isolationspflicht hin oder her – werden sich viele Personen «ins Bett legen müssen» und von der Arbeit fernbleiben.

Auch in der Schweiz werden die Infektionen steigen

«Es ist nicht zu vermeiden, dass es wieder aufwärtsgeht», stellt auch Biostatistikerin Tanja Stadler (41) im Gespräch mit Blick fest. «Irgendwann zwischen jetzt und Oktober erwarte ich eine Trendwende, und es wird eine durch BA.5 ausgelöste Welle geben.» In der Sommerwelle hätten sich «ganz grob rund zwei Millionen Menschen infiziert», schätzt Stadler. «Im Herbst dürfte die Infektionslast ähnlich hoch sein. Über den gesamten Winter könnte sich wieder die Mehrzahl der Menschen in der Schweiz anstecken.»

Allerdings seien die Erkrankungen auch mit Ausfällen am Arbeitsplatz verbunden, so Stadler. «Vor der Pandemie hatten wir in der Schweiz kein Virus, das im Sommer zu so vielen Krankschreibungen geführt hat wie das Coronavirus.»

Stadlers Worte von Ende August ähneln denen von Drosten – einen Vergleich zwischen der Schweiz und Deutschland will der Deutsche aber nicht ziehen. «In der Schweiz ist die Bevölkerung klein, es gibt keine vergleichbaren Ballungsräume, und die Mobilität ist nicht so gross. Das alles sind wesentliche Faktoren für die Ausbreitung von Viren», so Drosten.

Drosten kritisiert Massnahmenpaket der Regierung

Der Star-Virologe kritisiert auch die deutsche Regierung, welche am Donnerstag ein neues Corona-Massnahmenpaket absegnete. Deutschlandweit soll weiter eine FFP2-Maskenpflicht in Fernzügen gelten, aber nicht mehr in Flugzeugen. Auch in Kliniken, Pflegeheimen und Arztpraxen soll es eine solche Maskenpflicht geben. Vor dem Zutritt zu Pflegeheimen und Kliniken soll zudem ein negativer Test vorgelegt werden müssen.

Alle weiteren Masken-Massnahmen sollen die Bundesländer selbst regeln, auch Lockdowns sind nicht vorgesehen. Drosten: «Ich würde mir eher wünschen, dass klar wird, wie man denn jetzt mit Blick auf Herbst und Winter weitermachen will. Der politische Prozess muss optimiert sein, denn im Notfall braucht es sofortige und durchaus einschneidende Entscheidungen.» (chs)

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