Nach Davide Astori (31) und Michael Goolaerts (23)
Darum haben so viele Sportler Herzprobleme

Es trifft nicht nur Profisportler wie neulich den belgischen Radfahrer Michael Goolaerts (23). Auch bei Hobbysportlern streikt öfter mal das Herz. Ausdauersport hat seine Tücken.
Publiziert: 19.04.2018 um 15:05 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 20:15 Uhr
Sowohl Profi- als auch Hobbysportler sind immer häufiger von Herzrhythmusstörungen betroffen.
Foto: Thinkstock Images
Werner Vontobel

Noch einen Kilometer bis zur Forch, an meinem Hinterrad keucht der Kollege, was mich zusätzlich anspornt. Plötzlich ist alle Kraft weg, der Kopf bedrohlich leer. Zum Glück ist die Strasse jetzt  fast flach. Nach ein, zwei Minuten habe ich mich erholt und am Abend ist die Sache vergessen. Zwei Jahre später passiert es wieder. Die Nachwehen einer Grippe? Da sich die Vorfälle häufen, gehe ich zum  Herzspezialisten. Belastungstest. Alles o.k.

Erst ein weiterer Test  - Monate später – legt die Schwachstelle offen: Der Puls fällt von 170 ruckartig auf 60 zurück. Der Grund ist ein Wackelkontakt im Leitungssystem. Im Fachjargon: Der atrioventrikuläre Knoten wurde zeitweise nicht mehr angesteuert. Jetzt sorgt ein Herzschrittmacher dafür, dass solche Kurzschlüsse rechtzeitig überbrückt werden.

Profisportler leiden unter ähnlichen Symptomen

Belgier nach Herzstillstand verstorben!

Drama beim Eintages-Klassiker Paris-Roubaix. Michael Goolaerts (†23) hat während des Rennens einen Herzstillstand erlitten und ist in der Folge gestürzt. Am Sonntagabend dann die traurige Nachricht: Der Jungprofi ist im Krankenhaus verstorben. Hier weiterlesen.

Drama beim Eintages-Klassiker Paris-Roubaix. Michael Goolaerts (†23) hat während des Rennens einen Herzstillstand erlitten und ist in der Folge gestürzt. Am Sonntagabend dann die traurige Nachricht: Der Jungprofi ist im Krankenhaus verstorben. Hier weiterlesen.

Es hätte schlimmer kommen können. Bei Michael Goolarts führte eine ähnliche Leitungsstörung zum Herzstillstand, Sturz und Tod. Häufig kommt es auch zum Herzrasen, wie etwa beim Walliser Radprofi Kilian Frankiny oder beim Biathlon Altmeister Einar Björndalen - Einar unter vielen.

Wenn „Eurosport“ über Radrennen oder Skilanglauf berichtet, gehören Herzrhythmusstörungen inzwischen zu den Dauerthemen. Was ist da los? In den 1970er Jahren hatte der Kenneth Cooper, Arzt in der US-Army,  Ausdauersport als Therapie gegen Herzprobleme eingesetzt, und mit seinem Buch „Aerobics“ einen weltweiten Jogging-Boom ausgelöst. Soll Ausdauersport nun plötzlich nicht mehr gesund sein?

Leistung vor Gesundheit

Genau so ist es. Viele der harten Trainingseinheiten, die wir schnell noch draufpacken, verbessern zwar vielleicht unsere Bestzeiten, belasten aber die Gesundheit. Inzwischen wissen wir auch warum das so ist: Grosse Anstrengungen und ein hoher Puls bilden im Körper freie Sauerstoffradikale, was zu einer vermehrter Ausschüttung des Stresshormons Cortisol und Anti-Entzündungsenzymen wie TNF (Tumor Nekrose Faktor), Interleukin oder CRP führt. Diese reparieren die durch die Radikalen verursachten Schäden, und bilden dabei Bindegewebe, vorwiegend aus  Kollagen, genau wie bei Schürfwunden am Knie. Betroffen davon ist vor allem der linke Vorhof, der das sauerstoffreiche Blut aus der Lunge ins Herz pumpt.

Auch Herzmuskel kann übertrainiert sein

Das Problem dabei ist, dass die elektrischen Signale im Herz über die Muskelzellen geleitet werden. Sind diese verhärtet, leiten sie schlecht. Deshalb leiden übertrainiert Mäuse (16 Wochen lang wöchentlich 5 Stunden Tretmühle) deutlich mehr an Fibrose (verhärtete Zellen) und an Herzflimmern als ihre untrainierten Artgenossen. Unterbindet man mit Genmanipulation die Bildung von Anti-Entzündungsenzymen, bleiben die Fibrose und das Herzflimmern aus.

«Je mehr Trainingsstunden, desto mehr Schäden»

So weit kann man bei Menschenversuchen natürlich nicht gehen, aber es gibt auch hier interessante Erkenntnisse. So hat man etwa 60 Teilnehmer des Berner Stadtlaufs nach ihren Trainingsgewohnheiten befragt und mit dem EKG auf Unregelmässigkeiten im linken Vorhof untersucht. Ergebnis: Je mehr (lebenslange) Trainingsstunden, desto mehr Schäden.

Andere Untersuchungen zeigen, dass die Fibrose-Bildung abnimmt, wenn man sich nach dem Training genügend erhöht, dass grössere Athleten eher betroffen sind als kleine und dass die auch von Hobby-Sportlern oft schon vor dem Rennen eingeworfenen Schmerzmittel wie Voltaren oder Ibuprofen das Risiko deutlich erhöhen. (Mehr dazu hier)

Schmerzen zulassen und erholen

Ibuprofen beeinträchtigt den Hormonhaushalt

Ob bei Sportverletzungen, Entzündungen oder einfach nur bei einem Kater nach einer durchzechten Nacht, Ibuprofen ist ein beliebtes und weitverbreitetes Schmerzmedikament. Nun steht das rezeptfreie Präparat am Pranger. Dänische und französische Forscher haben nämlich herausgefunden, dass die regelmässige Einnahme von Ibuprofen den männlichen Hormonspiegel empfindlich verändern kann. Hier weiterlesen.

Ob bei Sportverletzungen, Entzündungen oder einfach nur bei einem Kater nach einer durchzechten Nacht, Ibuprofen ist ein beliebtes und weitverbreitetes Schmerzmedikament. Nun steht das rezeptfreie Präparat am Pranger. Dänische und französische Forscher haben nämlich herausgefunden, dass die regelmässige Einnahme von Ibuprofen den männlichen Hormonspiegel empfindlich verändern kann. Hier weiterlesen.

Damit ist auch klar, was man vorbeugend tun kann: Keine Schmerzmittel, kein Training bei Schmerzen, je grösser der Athlet, desto länger die Erholungspausen und insgesamt moderates Training. Nach dieser Studie sind eine bis 2,5 Stunden wöchentlich, aufgeteilt auf zwei bis drei Trainings optimal. Hält man das ein Leben lang durch, senkt man das allgemeine Sterberisiko um 30 und die Gefahr einer Herzerkrankung gar um 45%.

Doch in der Frage nach dem optimalen Trainingsumfang gehen die Meinungen auseinander. Der US-Fitnessguru Mark Sisson erlaubt bei gut trainierten Athleten 4 und 12 Stunden wöchentlich, aber alles unterhalb der aeroben Schwelle, also ein einem Pulsbereich, in dem keine oder kaum freie Sauerstoffradikale gebildet werden. Faustregel für die aerobe Schwelle: 180 minus Alter.

Herzrythmusstörungen: Was tun?

Bleibt die Frage, was man tun kann, wenn der Schaden schon da ist. Bei den Labormäusen zeigt sich, dass sich die Fibrose nicht zurückbildet, wenn man das Training reduziert. Die Störungen des Herzrhythmus nehmen zwar ab, nicht aber die Anfälligkeit dafür. Auch wenn es dazu bisher nur diese Ratten-Studie gibt, kann man versuchen, die Zellreinigung (Autophagie) durch (intermittierendes) Fasten zu beschleunigen, in der Hoffnung, dass auch der Körper auch das in den verhärteten Herzmuskelzellen gelagerte Eiweiss abbaut und wiederverwertet.

Elektrolyte und Magnesium

Leitungsstörungen können auch durch einen Mangel an Elektrolyten wie Magnesium ausgelöst werden. Man weiss, dass Zellen durch zu viel Calcium im Verhältnis zu Magnesium überreizt werden. Die US-Ärztin Carolyn Dean setzt deshalb Magnesium mit Erfolg gegen Herzrhythmusstörungen ein. Das muss kein Widerspruch zur Fibrose-Theorie sein. Die beiden Ursachen können sich auch gegenseitig verstärken. Zudem ist bekannt, dass man beim Ausdauersport über den Schweiss massenweise Elektrolyte ausscheidet- die dann in den Herzmuskeln fehlen.

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