«In der Economy Class wechseln wir die Weine alle 2 bis 3 Jahre, in der Business und First Class hingegen 2-4 Mal pro Jahr, die Kunden erwarten das von uns», erzählt Jan Trachsel (38) vom Inflight Culinary Development der Swiss im Gespräch mit Blick.
Gemeinsam mit der Weinkritikerin Chandra Kurt (53) und anderen Weinexperten degustiert er laufend neue Weine für das Sortiment an Bord. Manchmal nehmen auch Mitglieder der Cabin Crew am Wein-Auswahlverfahren teil.
Jährlich schenkt die gesamte Swiss Gruppe über eine Million Flaschen Wein über den Wolken aus.
Schweizer Weine im Fokus
In jeder Reiseklasse gibt es mindestens einen Schweizer Wein im Angebot. «Nirgendwo ausserhalb der Schweiz stösst man auf ein so breites Spektrum an Schweizer Weinen wie bei uns an Bord, zumal Schweizer Weine ja auch kaum ins Ausland exportiert werden», erklärt Trachsel.
Ein Blick auf die Weinkarte zeigt, dass nur Weine aus Europa angeboten werden. «Ab und zu haben wir auch Weine aus Übersee, aktuell ist uns aber eine hohe Beschaffungsflexibilität sehr wichtig. Je näher die Weine geografisch bei uns sind, umso besser.»
Weine in der Luft schmecken anders als am Boden
Über den Wolken ist die Luft dünn und trocken. Beides führt dazu, dass wir mit Nase und Gaumen weniger Geschmäcker wahrnehmen als am Boden. So müssen Fluggesellschaften ihre Weine so zusammenstellen, dass sie auch auf über 10’000 Metern Höhe Trinkspass bieten.
Gefragt sind kräftige Rotweine mit hohem Gehalt an Gerbstoffen und klarem Geschmacksprofil – zum Beispiel aus Bordeaux. Auch bei Weissweinen sollten leichte Kandidaten eher den Schweren weichen. Ein im Eichenfass ausgebauter Chasselas vom Genfersee ist sicher eine bessere Wahl als der dezente Pinot Grigio aus Italien.
Economy Class - Swiss liefert sichere Werte
Der Prosecco Bottega Il Vino dei Poeti ist frisch, fruchtig und unkompliziert - ideal als Cüpli zum Start in die Ferien. Der Chasselas Les Merveilles vom Genfersee hinterlässt zwar keinen bleibenden Eindruck, die feinen Aromen nach Apfel, Pfirsich und Spargel machten aber dennoch Spass.
Gespannt war ich auf den Rotwein, einen Walliser Syrah Classique 2020 von Jean-René Germanier. Ein pfeffriges Kraftpacket mit sehr präsenten Gerbstoffen und einem langen Abgang. Ein paar Jahre Flaschenreife werden ihn sicher noch geschmeidiger machen.
Business Class - Swiss überzeugt auch hier
Gab es in der Eco noch Prosecco, so ist das Cüpli in der Business Class aus Champagner. Der souveräne Duval-Leroy Brut perlt elegant und riecht intensiv nach Brioche, Zimt und Zitrone. Dann ein erstes Highlight: Der weisse, herrlich fruchtige La Almendrera Verdejo Rueda 2020 Val de Vid aus Spanien.
Auch unter den drei angebotenen Rotweinen fiel einer sehr positiv auf. Wieder kam er aus Spanien: Altos de Losada Bierzo 2017. Ein erdiger Traumwein mit Noten von schwarzen Beeren und gerösteten Mandeln. Mit 14 Prozent Alkohol allerdings kein Leichtgewicht.
First Class – Das kann die Swiss noch besser
Bei Weinen dieser Reiseklasse bin ich knallhart. Gerade wenn man die Weinkarten von Airlines der Vereinigten Arabischen Emiraten als Vergleich nimmt, müsste es der Anspruch der Swiss sein, zumindest mithalten zu können. Das Highlight vorweg: Der Grand Siècle Champagner von Laurent Perrier. Hier wird man nachdenklich, ein Champagner von bestechender Schönheit und zeitloser Eleganz.
Bei den Weissweinen gab es dann aber eine erste Enttäuschung. Dem 2017er Sancerre La Bourgeoise fehlte es an Spannung und Kraft im Gaumen. Nicht dass der Wein grundsätzlich schlecht wäre, aber wie gesagt, in der First muss einfach alles stimmen. Ein edler Chasselas aus Epesses und ein weisser Rioja überzeugten aber auf ganzer Linie.
Auch bei den Rotweinen musste einer untendurch: Der Clos L’Eglise 2014. Dieser Bordeaux war mir zu hart, der Gerbstoff zu betont. Nach Schmelz und Trinkspass suchte ich vergeblich, obwohl der Wein laut Flugbegleiter bei den Passagieren sehr beliebt sei. Ich bevorzugte den grandiosen Ligornetto 2018, ein würziger Merlot aus dem Tessin mit sehr langem Abgang.