Starwinzer Olivier Humbrecht im Exklusiv-Interview
Der Bulle vom Elsass

Seit über 400 Jahren keltert die Winzer-Dynastie der Familie Humbrecht Weine. Blick hat bei herrlichem Wetter mit Olivier Humbrecht (58) einen seiner Weinberge im Elsass besucht.
Publiziert: 03.11.2021 um 14:18 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2022 um 10:50 Uhr
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Master of Wine Olivier Humbrecht (l.) degustiert und diskutiert mit Blick-Wein-Redaktor Nicolas Greinacher.
Foto: Nicolas Greinacher
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Nicolas GreinacherRedaktor Wein DipWSET

«Ich fühle mich ganz gut» meint Oliver Humbrecht (58), als er mich in seinem Pick-up-Truck zu einem seiner Weinberge fährt. Gestern hatte er die dritte Corona-Impfung erhalten, die in Frankreich bereits seit Ende August durchgeführt wird. Wir sind im Elsass, in der Nähe von Colmar, einem alten Städtchen mit vielen kleinen Flüssen.

Nach etwa zehn Minuten sind wir mitten im Weinberg. Es ist frisch, aber nicht zu kühl und das intensive Sonnenlicht lässt die Blätter der Reben in allen Herbstfarben erstrahlen.

Humbrecht baut auf seinem 40 Hektar grossen Weingut Domaine Zind-Humbrecht mehrere Traubensorten an, vor allem Riesling, Gewürztraminer und Grauburgunder.

Master of Wine mit 26 Jahren

1989 war für Humbrecht definitiv ein Glücksjahr. Im Alter von 26 Jahren heiratete er seine Frau Margaret, eine Schottin, übernahm die önologische Leitung des Familien-Weinguts und bestand obendrauf als erster Franzose die härteste Weinprüfung der Welt: den Master of Wine.

Immer noch zwischen den Reben stehend erklärt Humbrecht, dass es in den vergangenen beiden Jahren für die Reben überdurchschnittlich trocken gewesen sei. «Die Reben sind durstiger geworden und benötigen mehr Wasser als früher.» Im aktuellen Jahrgang 2021 hingegen gab es mehr als genug Regen, vor allem bis und mit Juli.

Humbrecht erzählt weiter, dass es im Elsass heute durchschnittlich zwei Grad wärmer ist als noch vor 50 Jahren. In seinem Fall hat das zurfolge, dass Austrieb, Blüte und Ernte rund 16 bis 18 Tage früher erfolgen.

Nach einem kurzen Spaziergang im Weinberg sieht man schnell, dass zwischen den Rebstöcken alles andere als Monokultur wächst. Nutzpflanzen wie Beeren, Kräuter sowie verschiedene Gräser und Klee locken Mikroorganismen und Insekten an, die die schädlichen Insekten und Pilze bekämpfen.

2021: Frost und die Kirschessigfliege Drosophila suzukii

Der Jahrgang 2021 wird Humbrecht noch lange im Gedächtnis bleiben. Einerseits hinterliess der hartnäckige Aprilfrost beträchtlichen Schaden, da viele austreibende Augen und Sprossen der Reben erfroren sind. Die Folge: nur etwa 60 Prozent einer normalen Erntemenge.

Andererseits erhielten seine Weinberge unerwünschten Besuch von einer berüchtigten Fliege, von welcher er seit dem Jahr 2014 verschont geblieben ist. Die Rede ist von der Kirschessigfliege Drosophila suzukii. Die gefürchteten Plagegeister wurden 2008 nach Europa eingeschleppt und befallen neben Trauben alle Weichobstarten (zum Beispiel Kirschen oder Zwetschgen).

Edle Grauburgunder und knackige Rieslinge

Zurück auf dem Weingut steigen wir hinab in den Keller und probieren die neusten Weine. Humbrechts Sortiment umfasst je nach Jahrgang zwischen 20 und 30 verschiedene Tropfen.

Absolut sensationell ist der Domaine Zind-Humbrecht Pinot Gris Heimbourg 2016. Er zeigt eine leuchtend strohgoldene Farbe mit intensiven Aromen von Zitrone, Pfirsich und Honig. Im Gaumen unglaublich vielschichtig und lang mit einer leichten Süsse.

Auf meine Frage, ob Weine mineralisch riechen können, erhalte ich von Humbrecht ein knappes «Nein». Er erklärt: «Obwohl das Wort mineralisch gerne verwendet wird, um den Geruch eines Weins zu beschreiben, ist dies streng genommen falsch. Chemisch gesehen gibt es bei Mineralien keine flüchtigen Radikale, daher verdunsten sie nicht und es ist unmöglich, sie zu riechen».

Es sei aber möglich, «dass einige Mineralien mit anderen flüchtigen Elementen in Verbindung gebracht werden und daher ein nachweisbares Aroma haben. Zum Beispiel verleiht etwas Jod, das mit Salz gemischt wird, dem Salz einen Meeresbrise-Charakter.»

Eine Busse zum Abschluss

Zum Schluss hat Humbrecht noch eine schräge Geschichte auf Lager: In Frankreich muss man der zuständigen Weinbehörde stets angeben, wenn man alte Rebstöcke herausreisst, weil sie zum Beispiel alt oder krank sind, um danach wieder neue Rebstöcke anzupflanzen.

«Bei der Neubepflanzung von einem meiner Weinberge habe ich also die zuständige Behörde über das Vorhaben informiert. Zwei Jahre später, als die neuen Rebstöcke bereits eingewachsen waren, kamen die Kontrolleure zu Besuch. Dabei stellten sie fest, dass ich vergessen hatte, einen kleinen Teilbereich des zu ersetzenden Weinbergs zu deklarieren.»

Die Folge dieses Versehens: eine Busse über 800 Euro und den Beschluss, sämtliche neu gepflanzten Rebstöcke der vergessen gegangenen Teilparzelle wieder rauszureissen.

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