Viel dunkle, süsse Frucht, ein wenig Cherry-Cola, ein wenig Lakritze und am Gaumen so samtig und weich wie ein Pferdemaul: Das ist Primitivo, der Easy-Drinking-Rotwein aus Apulien. Doch hinter der beliebten Sorte steckt eine spannende Geschichte mit weinpolitischen Querelen.
Die Traube ist keine waschechte Italienerin. In den 60er-Jahren bemerkte ein US-Botaniker, dass sich die in Kalifornien heimische Sorte Zinfandel und Primitivo sehr ähnlich sind. Er nahm Pflanzmaterial mit in die Staaten, analysierte es und trat damit eine Lawine los, denn die Sorten erwiesen sich als identisch. Das passte den Amerikanern gar nicht. Zinfandel war ihre ureigene Traube, «born in the USA», und nicht wie Cabernet Sauvignon und Chardonnay mitgebracht von Einwanderern aus Europa.
Behördliches Verbot in den USA
Als mittels Genanalyse 1994 feststand, dass Primitivo und Zinfandel identisch sind, boxten italienische Winzer durch, dass sie auch Zinfandel auf ihre Etiketten schreiben dürfen. Sie versprachen sich davon einen Absatzvorteil. Und es kam noch dicker. In Italien wurde schon lange vermutet, dass Primitivo ursprünglich aus Kroatien stammt und identisch mit der Sorte Plavac Mali ist. Das bewahrheitete sich nicht. Doch weil sich das Gerücht hartnäckig hielt, wollten kroatische Winzer ihren Plavac Mali als Zinfandel in den USA vermarkten. Diese Praktik wurde jedoch behördlich vom amerikanischen BATF (Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms and Explosives) verboten.
Battle over Zinfandel
Der sogenannte «Battle over Zinfandel» hatte auch etwas Gutes. Die Rebwissenschaftler bekamen Forschungsgelder und intensivierten ihre Arbeit. Erst in den Nullerjahren konnte das Verwandtschaftsverhältnis der Rebsorten festgestellt werden. Primitivo, Zinfandel und Tribidrag, auch bekannt als Crljenak Kaštelanski, sind genetisch die gleichen Sorten. Tribidrag wird schon seit dem 15. Jahrhundert in Kroatien in der Gegend um Split angebaut.
Weinpolitisch korrekte Bezeichnung
Primitivo leitet sich von «primo», der Erste, ab und bezieht sich auf die frühe Reife der Sorte in den apulischen Rebbergen. Zinfandel heisst die Rebe in den USA, weil in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein österreichischer Rebveredler aus der Nähe von Wien die Sorte nach New York mitnahm. Auf Long Island gründete er eine Rebschule. Vermutlich wurden Rebstecklinge irrtümlicherweise mit dem Namen der österreichischen Sorte Zierfandler etikettiert. Daraus wurde dann Zinfandel. Als weinpolitisch korrekte Bezeichnung wird heute oft das Kürzel ZPC verwendet: Zinfandel, Primitivo, Crljenak Kaštelanski.