Das Landhotel Linde ist so etwas wie eine Institution im Aargauer Dörfchen Fislisbach. Bereits in der fünften Generation führt Familie Schibli das kleine Juwel.
Im Jahr 2008 heiratete Linde-Tochter Isabelle Schibli (46) den Sommelier Markus Utiger (41). Er möchte mir seine Weine vorstellen, die er in Österreich auf dem Weingut Pöckl im Burgenland, ganz in der Nähe zur ungarischen Grenze, keltern lässt.
«Zum Glück haben wir beide Wein gern»
Bevor uns seine Ehefrau für die Degustation von Utigers Weinen alleine lässt, reden wir darüber, wer in ihrer Beziehung die Hosen an hat. Utiger überlegt nicht lange: «Ich habe die Hosen an, aber Isabelle sagt mir, welches Paar ich anziehen muss.»
Sie lacht und verrät mir noch, dass ein schönes Glas Wein Wunder tue, wenn man zwei Kinder hat, die am Anfang ihrer Pubertät stecken. «Zum Glück haben wir beide Wein gern», sagt sie mit einem Schmunzeln und verabschiedet sich.
Über seine Ehefrau lernte Utiger das österreichische Weingut Pöckl kennen, wo er sich auf Anhieb mit dem Inhaber René Pöckl (42) verstand. Utiger war damals der jüngste Weinakademiker der Schweiz und als er sich mit Pöckl über Weine unterhielt, meinte dieser spontan zu Utiger, er solle doch seinen eigenen Wein machen.
Utigers Herz schlägt für die Rebsorte Blaufränkisch
Am nächsten Tag stiefelten die beiden durch die Rebberge vom Weingut Pöckl. Utiger hatte schon damals eine Vorliebe für die Sorte Blaufränkisch, welche bekannt für ihre gehaltvollen, lagerfähigen Rotweine ist. Bei einer ganz bestimmten Parzelle fragte er, wie diese heisse: «Das ist der Rappbühl», so Pöckl. Für Utiger war es Liebe auf den ersten Blick.
Als Weinakademiker hatte Utiger eine ganz klare Vorstellung, wie sein Wein gemacht werden musste. So besucht er das Weingut in der Regel alle zwei Monate, um bei wichtigen Entscheidungen vor Ort zu sein. Rund 2000 Flaschen werden von Utigers Blaufränkisch Rappbühl jährlich abgefüllt, dazu kommt noch ein ganz kleiner Teil Chardonnay, ebenfalls von Reben des Weinguts Pöckl.
Zum Auftakt der Degustation kredenzt mir Utiger seinen 2020er Chardonnay, von welchem er nur ein Fass abgefüllt hat, also weniger als 300 Flaschen. Dieser frisch fruchtige Weisswein überzeugt durch einen zurückhaltenden Holzeinsatz sowie eine angenehm crèmige Textur, gestützt durch eine relativ milde Säure.
Blaufränkisch Rappbühl überzeugt auf ganzer Linie
Nach Zweigelt ist Blaufränkisch die am häufigsten angebaute rote Rebsorte in Österreich. Sie erbringt Weine mit mittlerem bis viel Gerbstoff, hohem Säuregehalt, tiefdunkler Farbe sowie Aromen von schwarzen Früchten und frischen Gewürzen.
In einer eindrücklichen Serie Blaufränkisch Rappbühl der Jahrgänge 2016, 2017, 2018 und 2019 verliebe ich mich sofort in Utigers 2018er. Aus dem Glas strömen intensive Aromen von Brombeeren, Weichselkirschen, Menthol, Lorbeer, Bitterschokolade und Zigarrenschachtel.
Im druckvollen Gaumen zeigt sich dieses geschliffene Kraftpaket ebenfalls von seiner allerbesten Seite. Der 2018er Blaufränkisch Rappbühl überzeugt mit reifen, feingliederigen Gerbstoffen und einem langen Abgang. Wer diesen Traumwein schon heute trinkt, sollte ihn auf jeden Fall eine Stunde vorher dekantieren.
Die ebenfalls gelungenen Jahrgänge 2017 und 2019 vom Blaufränkisch Rappbühl sollten noch für mindestens zwei bis drei Jahre reifen. Während es vom Blaufränkisch Rappbühl in der Regel jährlich rund 2000 Flaschen gibt, waren es im schwierigen Jahr 2016 nur knapp 300 Flaschen. Auch der 2016er ist Utiger geglückt. Mein Favorit bleibt der 2018er.
Komplexe Rotweine mit grossem Lagerpotenzial
Zum Abschluss dieser spannenden Serie zeigt mir Utiger seinen 2013er Blaufränkisch Rappbühl. Ich staune, dass der Wein mit seinen fast zehn Jahren auf dem Buckel so frisch, komplex und ausbalanciert daherkommt. Der Wein hat das Potenzial für noch mindestens zehn weitere Jahre in der Flasche.
Aktuell sind Markus Utigers Weine in der Schweizer Weinszene noch ein Geheimtipp. Diese Tage dürften allerdings bald gezählt sein. Dafür sind die Weine einfach zu gut.