Arbeiten auf der Bank war ihm zu langweilig
Markus Ruch setzt neue Massstäbe

Jahrzehntelang galten Weine der Region Hallau als langweilig und sauer. Bereits im Jahr 2007 erkannte Markus Ruch das grosse Potenzial, aus den sonnigen, kalkhaltigen Lehmböden keine billigen Massenweine, sondern hochwertige Spitzenweine zu keltern.
Publiziert: 30.01.2022 um 13:56 Uhr
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Aktualisiert: 08.12.2022 um 10:54 Uhr
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Markus Ruchs Weinberg Haalde inmitten des Hallauer Weingebiets.
Foto: Nicolas Greinacher
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Nicolas GreinacherRedaktor Wein DipWSET

Ich schäme mich etwas, als ich im verschlafenen Neunkirch im Kanton Schaffhausen ankomme. Wie viele andere Schweizer auch habe ich diesen Fleck Erde bisher nur von oben gesehen, beim Landeanflug auf den Flughafen Zürich. Dafür kann man sein Auto in der blauen Zone für ganze acht Stunden kostenlos parken – und das mitten im Dorf!

Kurze Zeit später begegne ich dem Winzer Markus Ruch (45) in seinem Altstadthaus. Mit seinen breiten Schultern und den stahlblauen Augen hat er eine fesselnde Präsenz. Hände und Arme sind beim Sprechen selten still, der dreifache Familienvater bündelt eine geballte Ladung Energie. Wir steigen in sein Auto und fahren in die Haalde – den steilsten Weinberg in Hallau.

Arbeiten ohne Chemie

Klar nervt es ihn, wenn seine Nachbarn auf ihren Weinbergen chemische Pestizide spritzen, wenn Ruch nur wenige Meter nebenan auf biologischen Anbau setzt. «Ich habe aber gelernt, damit umzugehen. Ein gutes Verhältnis zu meinen Nachbarn ist mir wichtiger, als jemandem meine Arbeitsweise aufdrücken zu wollen», erzählt mir Ruch, als er über seine Weinberge blickt.

Vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren wurde die Deutschschweiz mit dünnen, sauren Hallauer Weinen regelrecht überschwemmt. An diesem Image leidet die Region noch heute. «Als ich im Jahr 2007 mein eigenes Weingut gründete, waren Massenweine aber kein Thema für mich. Auch die grobe Art und Weise, wie mit Reben, Trauben und dem Wein umgegangen wurde, widersprach mir zutiefst», so Ruch.

Ruch hat einen grossen Respekt vor der Natur, den Reben und dem Wein, welchen er mit möglichst wenigen Eingriffen in die Flasche bringen möchte. Geschwefelt wird nur wenig, oft arbeitet Ruch mit Kohlensäure. Auch der Einsatz von neuem Holz reduziert er auf ein Minimum. Ruchs Ziel: Die Typizität der einzelnen Weinberge möglichst behutsam und unverfälscht in die Flasche zu bringen.

«Bei der Banklehre habe ich die Natur vermisst»

Nach der Sekundarschule absolvierte Ruch eine Banklehre. Schnell war ihm klar, dass diese Welt nicht seine werden würde. Durch seinen Vater erhielt Ruch Zugang zum Thema Wein. Ruch absolvierte Praktika auf mehreren Weingütern im Ausland und machte eine zweite Lehre als Winzer, bevor er dann im Alter von 30 Jahren sein eigenes Weingut in Neunkirch gründete und seinen Fokus auf die Rebsorte Pinot Noir richtete.

Der Klettgau ist Ruchs Basiswein, ein finessenreicher, einfach zu trinkender Pinot Noir, welcher aus verschiedenen Weinbergslagen vinifiziert wird. Spannend wird es bei Ruchs Einzellagen: Haalde ist die steilste Weinbergslage in Hallau, während die Chölle-Rebstöcke mit rund 70 Jahren zu den ältesten gehören.

Der Gächlingen Schlemmweg wurde urkundlich bereits im 14. Jahrhundert als Einzellage erwähnt und ist ein reiner Südhang. Der Schumpen kommt sogar ganz ohne Schwefel in die Flasche.

Verkauf direkt ab Weingut boomt

Zum Sortiment gehört auch ein als Orange Wine in Amphoren vinifizierter Müller-Thurgau, ein Pétillant Naturel, ein Rheinriesling sowie ein Weinbrand. Ruchs neuestes Projekt: Apfelwein «Cidre» aus Obst von Bäumen in und um Neunkirch, die nicht mehr genutzt werden.

Die Hälfte seiner gesamten Produktion (rund 13'000 Flaschen jährlich) vertreibt Ruch übrigens direkt ab seinem Weingut.

Mindestens fünf Jahre Flaschenreife

Ruchs Weine aus den Jahren 2019 und 2020 sind allesamt sehr elegant und klar im Ausdruck. Besonders gut gefallen hat mir der 2019er Pinot Noir Haalde. Ruch hat hier komplett auf neues Holz verzichtet und einen sehr delikaten, komplexen Wein gekeltert, mit schöner Balance und guter Spannung am Gaumen.

Ausgeflippt bin ich beim Gächlingen Schlemmweg aus dem warmen Jahr 2015, obwohl Ruch eine Vorliebe für kühlere Jahre hat und die Trauben des 2015ers wohl lieber ein paar Tage früher geerntet hätte. Das Resultat: eine extrovertierte, reife Pinot-Noir Aromatik getragen von gut integriertem Holz, reifen Gerbstoffen und einer kräftigen Säure. Dieser Traumwein wird locker noch 5 bis 10 Jahre lang Freude bereiten.

Markus Ruch der Visionär

Ruchs Aufmerksamkeit gehört seinen Weinen, die er mit grossem Respekt vor der Natur, hoher Sorgfalt und minimalen Eingriffen in die Flasche bringt. Es erstaunt mich nicht, dass seine Weine längst über die Landesgrenzen hinweg Beachtung gefunden haben.

Mittlerweile exportiert Ruch nach Deutschland, Österreich, England und Dänemark. Was vor 20 Jahren unvorstellbar war, ist dank Ruchs Engagement Realität geworden: Ausländische Weinliebhaber bezahlen Premium-Preise für Hallauer Weine! Dank visionären und mutigen Winzern wie Markus Ruch muss man sich um die qualitative Messlatte von Schweizer Weinen keine Sorgen machen.

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