Eine Reise nach Kalifornien ist für mich etwas Besonderes. Der oft stahlblaue Himmel sowie die herzliche Gastfreundschaft der Winzer führen meistens dazu, dass ich gern noch ein paar Tage länger geblieben wäre.
Bei meinem diesjährigen Besuch waren die immer öfter vorkommenden Waldbrände ein wichtiges Thema. Viele Weingüter konnten 2020 keine einzige Flasche Wein keltern, weil die Trauben mit Rauchgeschmack kontaminiert waren.
Ridge Vineyards: Über den Wolken des Silicon Valley
Vor rund 140 Jahren Jahren wurden auf dem Monte-Bello-Gipfel in den Bergen von Santa Cruz Rebberge angelegt. 1886 erschien dann der erste Wein unter dem Namen «Monte Bello», bis die Produktion während der Prohibition im Jahr 1920 zum Stillstand kam. Es brauchte rund 40 Jahre, bis der Weinbau in der gesamten Region wie auch bei Ridge wiederbelebt wurde.
Schon die Autofahrt auf einer kurvigen Bergstrasse bis über die Nebelgrenze zum Monte Bello ist ein Highlight. Ridge-CEO Mark Vernon führte mich durch die historischen Rebberge, die verwinkelten Kelleranlagen und in den Showroom, der in einem alten Stall untergebracht ist. Die langjährige Geschichte des Weinguts ist in jedem Raum präsent, die Leidenschaft aller beteiligten Personen spürbar.
Ridge-Weine sind bekannt für ihre Frische und den für kalifornische Verhältnisse vergleichsweise niedrigen Alkoholanteil. Ein unschlagbares Preis-Leistungs-Verhältnis zeigt der Ridge «Lytton Springs» aus Sonoma, das rund 100 Kilometer nördlich von San Francisco liegt. Die Hauptsorte Zinfandel sorgt für üppige Aromen von Blutorangen, Heidelbeeren und Anis sowie einen Hauch Tabak. Ein perfekter Begleiter zum Weihnachtsbraten oder zu asiatischer Küche.
Der Vorzeigewein von Ridge ist aber der «Monte Bello» – einer der wenigen US-Weine, die bei Spitzenjahrgängen locker 50 Jahre lang reifen können. Besonders gut gefallen hat mir der 2000er-Jahrgang mit seinen rustikalen, ledrigen und würzigen Noten. Auch die jüngeren Jahrgänge (insbesondere 2013 und 2017) sind schon heute unbestrittene Weinlegenden und haben ein sehr langes Leben vor sich.
Colgin Estate: 21 x 100 Punkte im «Wine Advocate»
Weine von Colgin sind der Inbegriff des kalifornischen Kultweins und in ihrer Schönheit unverwechselbar. Bereits der Anblick einer Flasche lässt den Puls bei Weinliebhabern höher schlagen. Fast kein anderes US-Weingut hat so oft die magische «Wine Advocate»-Maximalpunktzahl erreicht wie Colgin.
Die gebürtige Texanerin Ann Colgin (63) kaufte 1996 zusammen mit ihrem Ehemann Joe Wender (77) am Tychson Hill ein altes Anwesen inmitten eines Cabernet-Sauvignon-Weinbergs. Das eigentliche Weingut von Colgin thront jedoch hoch oben über dem Napa Valley, wo man ganze Steinschichten abgetragen und den darunter liegenden Boden mit Weinreben bepflanzt hat – so etwas hatte die Weinwelt bis dahin noch nie gesehen.
Der degustierte 2018er-Jahrgang ist etwas vom Besten, was ich je von diesem Weingut getrunken habe. Alle Rotweine («Tychson Hill», «Cariad», «IX Estate» und «IX Estate Syrah») verbindet eine dermassen hohe und vielfältige Geschmacksintensität sowohl in Nase als auch Gaumen, dass man davon fast schon betäubt wird. Beim 2018er «IX Estate» befand ich mich beim Degustieren kurzzeitig in einer anderen Welt. Ein sinnliches und betörendes Jungwein-Erlebnis!
Zurück auf dem Boden der Realität dann der Schock: Kein Wein von Colgin mit Jahrgang 2020! Obwohl keine Reben von den massiven Waldbränden in Kalifornien zerstört wurden, hat der vom Winde verwehte Rauch an den Trauben dennoch seine Spuren hinterlassen. Laboranalysen konnten die unerwünschten Rauchspuren im Traubengut nachweisen. Um die finanzielle Situation des Weinguts muss man sich aber nicht sorgen: Kürzlich hat sich der französische Luxuskonzern LVMH finanziell an Colgin beteiligt.
Shafer Vineyards: Schafe im Weinberg gehen viral
Jeden Frühling grasen Schafe in den Weinbergen von Shafer Vineyards im Napa Valley, um Gras und Unkraut zu entfernen. Die Ankunft der Schafe sei jedes Mal ein echtes Highlight, wie mir Besitzer Doug Shafer (65) berichtet: «Unsere Mitarbeiter lieben es!»
Die Anwesenheit der Schafe habe etwas Beruhigendes, Aufmunterndes und Friedliches, so Shafer. Im März 2020, während des ersten Covid-19-Lockdowns, stellte das Weingut ein sechsstündiges Video der Schafe online, worüber sogar die «New York Times» berichtete.
1983 arbeitete Doug zum ersten Mal als Önologe auf dem von seinem Vater gegründeten Weingut und stellte fast zur selben Zeit den aus Mexiko stammenden Elias Fernandez (60) als Assistenten ein. Elias übernahm 1994 die önologische Leitung und wurde 2002 vom Weissen Haus als Beispiel für mustergültige Integration geehrt.
Wie bei Colgin wird es auch von Shafer keinen 2020er-Wein geben. «Es war die härteste und einfachste Entscheidung meines Lebens», so Shafer. Hart, weil es ihm sprichwörtlich das Herz brach, als Weingut während eines ganzen Jahrs keine einzige Flasche Wein herzustellen. Einfach, weil bei Shafer nur die Qualität zählt. Auf Weine mit Rauchgeschmack muss Shafer konsequenterweise verzichten, auch wenn die finanziellen Einbussen schmerzhaft sind.
Bei den degustierten Weinen fiel der «Shoulder Ranch»-Chardonnay 2019 positiv auf. Hier hat man den Sommer von Napa Valley im Glas mit einem frischen Parfüm von Zitronenschale und weissen Blüten. Der 2017er «Relentless» überzeugte mit einer intensiven Gewürznote, Pflaumen sowie einem vollen Körper – ein perfekter Begleiter für gegrillte Fleischgerichte. Highlight des Tastings: Der 2012er «Hillside Select», ein wuchtiger und zugleich samtiger Cabernet Sauvignon wie aus dem Bilderbuch.