Teuerster Merlot der Schweiz
Winzerfamilie erzeugt Spitzenwein auf Tessiner Schloss

Rund 150 Franken pro Flasche kosten die raren Spitzenweine der Familie Zanini vom Castello Luigi. Blick-Wein-Redaktor Nicolas Greinacher hat die Winzer im Tessin besucht.
Publiziert: 26.05.2023 um 08:40 Uhr
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Aktualisiert: 26.05.2023 um 08:48 Uhr
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Elegante Auffahrt zu einem der berühmtesten Tessiner Schlösser: Castello Luigi.
Foto: Remy Steinegger
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Nicolas GreinacherRedaktor Wein DipWSET

An einem wolkenverhangenen und kalten Tag steige ich in Zürich in den Zug und fahre nach Mendrisio. Hier werde ich bei strahlendem Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen von Luigi Zanini Jr. (50) am Bahnhof erwartet. Er empfängt mich mit einem herzlichen «Buongiorno!»

Die Familie Zanini stammt ursprünglich aus der Lombardei. Luigi Zanini Sr. emigrierte in jungen Jahren in die Schweiz und baute sich ein Imperium aus Weinhandel und Weinproduktion auf. Sein grösster Traum war es jedoch, im Tessin sein eigenes Schloss zu besitzen, es selber zu bewohnen und auf dem Grundstück auch gleich Wein zu produzieren.

Im Jahr 1988 fand er das perfekte Grundstück in der Tessiner Gemeinde Besazio. Inspiriert vom berühmten Château Palmer in Bordeaux liess Zanini sein ganz eigenes Schloss entwerfen. Der Prozess der Baugenehmigung dauerte dann aber länger als erwartet.

Und von den ursprünglich vier geplanten Türmen erlauben die Tessiner Behörden schlussendlich deren zwei – besser als nichts.

Durchbruch mit dem Jahrgang 2007

Nachdem 1997 der erste kommerziell verfügbare Rotwein-Jahrgang von Castello Luigi war, erarbeitete sich der Wein schnell einen Ruf als Geheimtipp. Dies änderte sich über Nacht, als der Schweizer Weinpapst René Gabriel dem roten 2007er-Jahrgang die Höchstnote von 20/20 Punkten verlieh. Eine grosse Ehre, die zuvor noch keinem Schweizer Rotwein zuteilwurde.

Wo mir Zanini seinen beeindruckenden, kurvigen Weinkeller mit alten Castello-Luigi-Jahrgängen zeigt, frage ich mich, ob er bei der anschliessenden Verkostung auch den legendären 2007er-Jahrgang öffnen wird. Es wäre sicher mit einem gewissen Risiko verbunden, da mit diesem Wein dermassen hohe Erwartungen verknüpft sind und man eigentlich fast nur enttäuscht werden kann.

Erstklassige Weissweine im Burgunder-Stil

Als wir uns im feudalen Erdgeschoss des Familien-Schlosses an einen Tisch setzen, lässt Zanini die Katze aus dem Sack: «Wir probieren heute 2 Weissweine und 3 Rotweine. Ich habe mir gedacht, dass es für Sie spannend wäre, die Weine in 5-jährigen Abständen zu probieren. Beim Castello Luigi Bianco ist es der aktuelle Jahrgang 2018 sowie 2013 und beim Rosso 2017, der aktuelle Jahrgang, 2012 und 2007.» Jackpot!

Beide Castello Luigi Bianco sind reinsortige, für rund zehn Monate im Eichenfass gereifte Chardonnays. Die Produktion ist winzig, jährlich werden davon nur etwa 2500 Flaschen abgefüllt. Beide Jahrgänge erinnern mich in ihrer Stilistik an weisse Burgunder aus einem warmen, sonnigen Jahrgang.

Sehr gut gefallen hat mir der 2013er: Im Glas bündeln sich intensive Aromen von Bienenwachs, Haselnüssen, reifen exotischen Früchten und Honig. Im Gaumen zeigt der Wein eine crèmige Textur und ist langanhaltend.

Legendäre Rotweine im Bordeaux-Stil

Die Rotwein-Serie 2017-2012-2007 werde ich noch lange im Gedächtnis behalten. Der 2017er strotzt nur so von Lebkuchen-Aromen, Brombeeren, Kaffee, dunkler Schokolade und zeigt eine herrliche Frische. Obwohl er noch ein langes Leben vor sich hat, kann man diesen Traumwein ohne schlechtes Gewissen auch jetzt schon trinken (dekantieren empfohlen).

Mein erster Gedanke beim Verkosten des 2012ers war: Bordeaux. Sehr dicht, kräftig und mit zupackenden Tanninen ausgestattet überzeugt dieses edle Elixier mit einer würzigen, floralen Aromatik und einem vollen Körper. Vom Castello Luigi Rosso gibt es jährlich rund 10’000 Flaschen, zudem hat der Wein oft einen kleinen Anteil an Cabernet Sauvignon und Cabernet Franc.

Ja, der 2007er Castello Luigi Rosso ist eine Schweizer Weinlegende. Etwas anderes zu behaupten, wäre schlicht unseriös. Intensive Aromen von Cassis, Trüffel, Zigarrenschachtel, kaltem Schwarztee und Brombeere treffen auf einen geschmeidigen, vollen Körper mit viel Schmelz und einem sehr langen Abgang. Ein Schweizer Traumwein für die Geschichtsbücher.

Sind Castello-Luigi-Weine nun ihre 150 Franken pro Flasche wert? Auf der Rückfahrt im Zug beurteile ich die Sache so: Wer bereit ist, einen so stolzen Preis für einen roten Bordeaux oder weissen Burgunder zu bezahlen, sollte Castello Luigi unbedingt eine Chance geben. Die raren Tessiner Weine eignen sich auch hervorragend als Geschenk für anspruchsvolle Weingeniesser.

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