Sein ganzes Leben lang war Weinliebhaber Jan Schürmann (50) unterwegs. Gewohnt hat er in China, Ruanda, Brasilien oder den USA, wo er in der Lebensmittelindustrie arbeitete. «Nomaden-Gene» und das Bedürfnis, immer wieder ein neues Abenteuer zu erleben, hätten ihn jeweils angetrieben weiterzuziehen, erzählt er im Gespräch mit Blick.
Nach einer längeren Zeit in der Schweiz wurde es im Jahr 2015 wieder höchste Zeit für ein neues Abenteuer. Kim Schürman (40) lebte zuvor bereits einige Jahre in Südafrika. Also beschloss das Ehepaar, nach Südafrika auszuwandern und ein eigenes Weingut bewirtschaften.
«Midlife Opportunity» anstatt «Midlife Crisis»
Der damalige Drang für etwas Neues habe wohl auch mit einer Midlife Crisis zusammengehängt, erzählt Schürmann mit einem Schmunzeln. «Mir gefällt der Ausdruck Midlife Oportunity aber deutlich besser!» Und wie es im Leben so ist, kommt es meistens anders, als man denkt. So landeten die Schürmanns am Ende nicht in Südafrika, sondern im Südwesten Frankreichs.
Das Ehepaar hauchte der Domaine Gensac neues Leben ein. Gemeinsam mit ihren zwei Kindern Guy (6) und Lou (4) leben die Schürmanns in einem 10-Zimmer grossen Schloss, dem Château Gensac. Um die sanfte Restauration und geschmackvolle Inneneinrichtung kümmerte sich Kim Schürmann mit grosser Leidenschaft.
Aktuell hält die tierliebe Familie zehn Pferde auf dem Grundstück. Darunter auch einige verwahrloste Tiere aus der Region, die ihren Weg zu ihnen gefunden haben.
Auf der rund 300 Hektar grossen Domaine Gensac wachsen Weizen, Gerste, Hirse, Soja und Sonnenblumen. Es gibt Plantagen mit Zwetschgen, Pinien, Zedern und Pappeln. Auf rund 25 Hektaren wachsen Weinreben aus vielerlei Sorten, wie zum Beispiel Merlot, Tannat, Malbec, Syrah oder Cabernet Sauvignon.
Domaine Gensac ist ein Paradies für Tiere
Neben den Pferden und dem Familienhund Charlie leben auf der Domaine Gensac Katzen, Labradore und eine grosse Menge wilder Tiere: aktuell eine rund 15-köpfige Hirschgruppe, Rehe, Wildschweine, Fasane, Hasen, Dachse, Bienenstöcke sowie riesige Karpfen im See.
«Unsere Vision ist ein Betrieb, auf dem Wirtschaftlichkeit und Natur in einer gesunden Balance stehen», so Schürmann stolz.
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Trinkfreudige, sonnige Weine für jedes Budget
Fünf seiner aktuellen Weine schickte mir Schürmann in die Schweiz und verkostete diese mit mir zusammen in einem Video Call. Rund zehn Franken pro Flasche kostet der Le Rosé: Hier hat man die Sonne aus Südwestfrankreich im Glas mit zarten Aromen von Erdbeere, Blumenwiese und einer belebenden Säure. Laut Schürmann ein idealer «Pool-Wein» für warme Tage.
Der 2017er Pesade (Aussprache «Pössad») ist eine gelungene Mischung der Rebsorten Merlot, Malbec, Syrah, Cabernet Sauvignon und Tannat. Zwölf Monate Eichenfass haben den Wein richtig spannend gemacht, er kommt muskulös und intensiv daher. Passt perfekt zu einem gegrillten Stück Fleisch. Ein Rotwein dieser Rasse und Klasse für unter 20 Franken pro Flasche ist ein echter Geheimtipp.
Sowohl der Terre à Terre Weiss und Rot liegen qualitativ sogar noch leicht über dem Pesade. Der rote Terre à Terre 2016 besteht aus Tannat, Malbec und Merlot und reifte 18 Monate lang im Eichenfass. Wirkt sehr edel und geschliffen, wie ein Bodybuilder im Massanzug. Dieser Traumwein gehört meiner Meinung nach in die Business oder First Class der Swiss!
Weinnamen mit Pferdebezug
Wer genau hinsieht, entdeckt auf den Etiketten der Gensac-Weine ein stolzes Pferd. Auch die Namen der Weine haben einen direkten Bezug zu den Tieren: Pesade beispielsweise ist eine Übung der klassischen Reitkunst, bei der das Pferd sein Gewicht auf die Hinterbeine verlagert, seinen Rumpf in einem Winkel von mehr als 45 Grad zum Boden hebt und die Vorderbeine an den Leib zieht.
Das schnellste Pferd im Gensac-Stall ist dann sprichwörtlich der Rotwein Solo. Nur rund 3000 Flaschen dieses Power-Weins der Rebsorte Tannat werden jedes Jahr gekeltert. Über 70-jährige Reben und 36 Monate im Eichenfass sind das Rezept für eine wahre Weinperle, welche vor fünf Jahren Flaschenreife nicht geöffnet werden sollte.
Schürmann wäre nicht Schürmann, wenn er sich auf seinen Lorbeeren ausruhen würde. Sein neuestes Projekt: die komplette Umstellung seines Betriebs auf Bio. Dabei richtet er sich nach dem Motto seiner Frau: «It always seems impossible until it's done» (es scheint immer unmöglich, bis es erledigt ist).