Experten-Krach um Weinkonsum
Kontroverse Empfehlungen der WHO

Seit 2023 propagiert die WHO null Promille im Umgang mit Alkohol. Dabei stützt sich die Organisation auf Studien von Wissenschaftlern, die einer Abstinenzbewegung nahestehen. Das sorgt für rote Köpfe in der Weinbranche.
Publiziert: 11.03.2025 um 14:00 Uhr
|
Aktualisiert: 11.03.2025 um 15:24 Uhr
1/6
Ein bis zwei kleine Gläser Wein pro Tag galten früher als Genuss mit geringem gesundheitlichen Risiko. Nun setzt die WHO auf null Promille.
Foto: SOPA Images/LightRocket via Getty Images

Auf einen Blick

  • WHO warnt: Gesundheitsrisiko beginnt beim ersten Tropfen Alkohol
  • Weinbauverbände kritisieren WHO-Empfehlungen und deren Datengrundlage
  • Risikoarm sind laut Ernährungsexperte zwei kleine Gläser Wein pro Tag
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
RMS_Portrait_707.JPG
Ursula GeigerRedaktorin Wein

Eines vorneweg: Wein ist für junge Menschen tabu, die wegen ihres Alters keinen trinken dürfen. Keinen Wein trinken sollten Schwangere, Lenkerinnen und Lenker eines Fahrzeugs, egal ob motorisiert oder nicht. Personen, die Medikamente einnehmen, informieren sich über Wechselwirkungen mit Alkohol.

Alle anderen können und dürfen Wein geniessen. Lange galt moderater Weinkonsum (ein bis zwei kleine Gläser pro Tag) als unbedenklich. Die Vitalität und Gesundheit der Menschen in den Mittelmeerländern, die neben viel Gemüse, Fisch und Olivenöl auch Wein zu den Mahlzeiten auf ihrem Speiseplan haben, stand Pate für die Mittelmeerdiät. Die Mittelmeerdiät galt als gesundes Ernährungskonzept. Doch diese Zeiten sind nun vorbei.

WHO ist gegen moderaten Konsum

«Das Risiko für die Gesundheit beginnt schon beim ersten Tropfen jedes alkoholischen Getränks», verkündete im Januar 2023 Dr. Carina Ferreira-Borges, zu dieser Zeit kommissarische Leiterin des Referats Management nichtübertragbarer Krankheiten und Regionalbeauftragte für Alkohol und illegale Drogen beim WHO-Regionalbüro für Europa.

Bei der WHO beruft man sich auf neueste Daten, die bewiesen, dass die Hälfte der dem Alkohol zurechenbaren Krebsfälle in der europäischen Region der WHO durch «leichten» bis «moderaten» Alkoholkonsum – weniger als 1,5 Liter Wein oder weniger als 3,5 Liter Bier oder weniger als 450 Milliliter Spirituosen pro Woche – verursacht werden.

Zweifel an der Neutralität der Studienautoren

Seither werden diese Empfehlungen von offiziellen Stellen übernommen und kommuniziert. Doch diese neuesten Daten, auf die sich die WHO beruft, sorgen bei Weinbauverbänden rund um den Globus für rote Köpfe. Sie werfen der Weltgesundheitsorganisation vor, sich auf Studien von Wissenschaftlern zu beziehen, die von einer Abstinenzbewegung Geld erhalten und bei der Studiendurchführung geschlampt haben sollen.

Die Movendi-Bewegung ist der modernisierte Auftritt der Guttempler-Bewegung, die 1851 gegründet wurde. Die Organisation setzt sich für Suchtprävention ein. Unter dem Dach der Bewegung befinden sich 174 Organisationen, die 72,9 Millionen Mitglieder in 63 Ländern vereinen.

Vergleiche triggern

Risikoarm lebt laut WHO, wer ein bis zwei kleine Gläser Wein pro Woche trinkt. Wer pro Woche mehr als fünf kleine Gläser Wein trinkt oder mehr als sechs doppelte Schnäpse kippt, setzt seine Gesundheit einem hohen Risiko aus.

Auch diese Vergleiche triggern die Kritiker der WHO-Empfehlung. «Wein ist nicht nur Alkohol», sagt der deutsche Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Nicolai Worm, der auf die gesundheitsfördernde Wirkung von Polyphenolen (Tannine und Farbstoffe im Rotwein) auf die Blutgefässe und eine krebshemmende Wirkung nach der Verstoffwechselung durch Darmbakterien hinweist.

Trinkmuster werden nicht berücksichtigt

Auch störe, dass in der WHO-Empfehlung Trinkmuster nicht berücksichtigt werden. «Quartalstrinker leben gefährlich! Wer jeden Tag ein oder zwei Gläser Wein zum Essen trinkt, aber nicht» erklärt Worm, der einen derartigen Alkoholkonsum von täglich 20 Gramm für Frauen und 30 Gramm für Männer als risikoarm einstuft.

So berechnest du den Alkoholgehalt in Getränken

Die WHO rechnet bei ihrer Konsumempfehlung mit reinem Alkohol (Ethanol). Doch wie viel Gramm reiner Alkohol ist in deinem Glas Wein enthalten? Mit dieser Formel kannst du den Alkoholgehalt im Getränk einfach berechnen:

Getränkemenge in Milliliter x Alkoholgehalt in Volumenprozent / 100 x 0,8

Beispiele:

200 ml Wein x 14 Volumenprozent / 100 x 0,8 = 22,4 g Alkohol
200 ml Wein x 11 Volumenprozent / 100 x 0,8 = 17,6 g Alkohol

Die WHO rechnet bei ihrer Konsumempfehlung mit reinem Alkohol (Ethanol). Doch wie viel Gramm reiner Alkohol ist in deinem Glas Wein enthalten? Mit dieser Formel kannst du den Alkoholgehalt im Getränk einfach berechnen:

Getränkemenge in Milliliter x Alkoholgehalt in Volumenprozent / 100 x 0,8

Beispiele:

200 ml Wein x 14 Volumenprozent / 100 x 0,8 = 22,4 g Alkohol
200 ml Wein x 11 Volumenprozent / 100 x 0,8 = 17,6 g Alkohol

Der Weinkonsum sinkt jedes Jahr. Junge Menschen feiern in den sozialen Medien unter dem Stichwort «Sober Curiosity» die Lust an der Nüchternheit. Auch sollen Abnehmpräparate wie Ozempic oder Wegovy die Lust auf Alkohol schmälern.

Das ist auch ein positiver Trend. Doch was in der Debatte komplett fehlt, ist der soziokulturelle Aspekt. Mit Freunden bei gutem Essen und einem Glas Wein am Tisch zu sitzen, ist ein schönes Erlebnis. Sozialer Kontakt und kulinarischer Genuss sorgen für mehr Glückshormone. Und eine Weinregion zu erkunden, eröffnet Einblicke in Landschaft, Kultur und Kulinarik.


Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?