Das Angebot an entalkoholisierten Weinen in der Schweiz wächst. Neben prickelnden, alkoholfreien Klassikern, die aus Traubenmost gemacht werden, steigt das Angebot an Weinen, denen der Alkohol entzogen wurde.
Carl Jung (1875–1961) entwickelte anfangs des 20. Jahrhunderts in Rüdesheim im Rheingau das Vakuum-Destillations-Verfahren, mit dem heute rund 80 Prozent der weltweiten Produktion entalkoholisierter Weine hergestellt werden.
Das Vakuum machts möglich
Durch das Anlegen eines Vakuums wird der Luftdruck gesenkt. Je tiefer der Luftdruck, desto niedriger ist die Siedetemperatur. Im Vakuum siedet Alkohol bereits bei 30 Grad, unter normalen Bedingungen bei 78 Grad.
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Wie bleibt der Wein-Geschmack im Getränk? Aromen sind leicht flüchtig, an den Alkohol gebunden und werden dem Wein mit der Destillation entzogen. Jung gelang es, in seinem patentierten Verfahren der Aromarückgewinnung die Bouquetstoffe dem entalkoholisierten Wein wieder zuzuführen.
Heute leitet Bernhard Jung (63) die Weinkellerei in Rüdesheim, die sich ganz auf das Entalkoholisieren von Wein spezialisiert hat. Der Profi gibt Auskunft, was es zu beachten gibt.
Blick: Herr Jung, welche Weine eigenen sich zum Entalkoholisieren?
Bernhard Jung: Grundsätzlich kann man jeden Wein vom Alkohol befreien. Bouquetreiche Rebsorten und frische Weine ohne Fehltöne und Restzucker sowie mit moderater Säure sind aber besonders geeignet.
Wird nach dem Prozedere Zucker zugesetzt?
Der Zusatz von Zucker ist nicht gestattet, aber die Zugabe von Traubenmost-Konzentrat ist erlaubt und notwendig, um die süssende Wirkung des entzogenen Alkohols auszugleichen.
Wird entalkoholisierter Wein geschwefelt?
Bei der Vakuum-Destillation wird der Wein zum Teil entschwefelt. Bei der anschliessenden Abfüllung in Flaschen wird – wie beim Wein mit Alkohol – Schwefel zugesetzt, damit der entalkoholisierte Wein haltbar bleibt.
Kann man auch Schaumweinen den Alkohol entziehen?
Nein, das funktioniert nicht. Für die Bläschen wird dem entalkoholisierten Wein Kohlensäure zugesetzt.
Boom oder Flop?
Die Absatzprognosen für Wein ohne Alkohol sind vielversprechend. Ettore Müller (31), Önologe und Verkaufsleiter der Gialdi Vini in Mendrisio TI absolvierte ein Masterstudium an der Universität St. Gallen und hat seine Masterarbeit diesem Thema gewidmet.
Blick: Herr Müller, boomt entalkoholisierter Wein in der Schweiz?
Ettore Müller: In der Schweiz wurden im Jahr 2022 2,37 Mio. Hektoliter Wein verkauft, schätzungsweise 0,5 bis 1 Prozent davon ist entalkoholisiert. Doch die Nachfrage für alkoholfreie Alternativen steigt. Sagen wir es so: Der Markt für steht heute dort, wo der Markt für alkoholfreies Bier vor 20 Jahren stand.
Gibt es alkoholfreien Wein aus Schweizer Produktion?
Noch nicht. Erst muss die Nachfrage steigen. Das Entalkoholisieren ist eine Kostenfrage: Der Grundwein muss wie gehabt ausgebaut werden, dazu kommen die Investitionskosten für die Anlage. Ob die Verbraucher bereit sind, für alkoholfreien Wein tiefer in die Tasche ist schwer einzuschätzen.