Es gibt unzählige Diäten auf dem Markt: Ob Saftfasten, kohlenhydratarme Ernährung oder Suppendiät – Abnehmwillige sind zu fast allem bereit, um ihre überschüssigen Pfunde endlich loszuwerden. Häufig stürzen sie sich in eine ungesunde Crash-Diät. Die Konsequenz: Kurzfristig purzeln zwar die Pfunde, doch die extrem strikten Ernährungsformen sind in der Regel nicht alltagstauglich und so sind die Kilos oftmals rasch wieder auf den Hüften – der klassische Jojo-Effekt.
Eben dieser soll bei der neuen Abnehm-Methode nicht auftreten, an welcher der Tessiner Arzt Massimo Fumagalli über zwei Jahrzehnte hinweg geforscht hat. Seine Methode: mit Nadeln zum Traumgewicht! Erst kürzlich hat er seine Studienergebnisse zum Thema in einem renommiertem Wissenschaftsjournal publiziert.
Traumgewicht durch Nadelstiche?
Der Arzt kombiniert westliche Medizin mit traditioneller chinesischer Medizin. Er leitete eine medizinische Studie, bei welcher er gemeinsam mit 35 Ärztinnen und Ärzten der auf Akupunktur spezialisierten Kliniken Sinomedica insgesamt rund 11'000 Patienten mit Akupunktur-Nadeln behandelte. Kombiniert mit einer strikten und kohlenhydratarmen Diät hätten die Probanden sehr gute Erfolge erzielt, führt der Mediziner im Gespräch mit Blick aus: «Die rund 11'000 Personen erzielten in sieben Monaten einen beeindruckenden durchschnittlichen Gewichtsverlust von 17,5 Kilo. Sie konnten über einen Zeitraum von anderthalb Jahren einen Gewichtsverlust von 15,5 kg durchschnittlich beibehalten. Bemerkenswert ist, dass Personen mit schwerer Adipositas innerhalb von nur sechs Monaten eine durchschnittliche Gewichtsreduktion von 28 kg erzielten.»
Doch wie genau soll diese Wunder-Abnehmmethode funktionieren? Fumagalli ist der Überzeugung, dass Fettleibigkeit vielerlei Ursachen haben kann – nicht nur übermässiges Essen. So sieht er etwa die Wurzel des Übels auch im Zusammenspiel von Hormon-, Nerven- und Immunsystem oder in leichten Entzündungen oder Störungen des Darmmikrobioms.
Hormone im Ungleichgewicht
Zentral sind in der Studie des Tessiner Mediziners die Hormone Ghrelin und Leptin, die in solchen Fällen in ein Ungleichgewicht fallen. Während Ghrelin für mehr Hunger sorgt, ist Leptin für ein Sättigungsgefühl zuständig. Wiegt man nun zu viel, so blockieren sich die Leptine – man verbrennt weniger Kalorien, hat gleichzeitig mehr Hunger. «Ein Teufelskreis», so der Arzt.
Solange das Gleichgewicht innerhalb der Körperfunktionen nicht gewährleistet sei, könne eine Diät und auch zusätzliche Bewegung nicht in jedem Fall zu einer nachhaltigen Gewichtsabnahme führen – oftmals würden dann Medikamente oder chirurgische Eingriffe zum Zug kommen, die wiederum Nebenwirkungen haben könnten, so der Tessiner. Und genau hier kommt die Akupunktur zum Zug: Mit präzise gesteckten Nadeln will Fumagalli die beiden Hormone Ghrelin und Leptin wieder ins Gleichgewicht bringen. Durch die Therapie werde das extreme Hungergefühl abgemildert, die Diät überhaupt erst erträglich.
Nur 450 Kalorien täglich
Denn das ist der Haken an der ganzen Sache: Fumagalli propagiert seine erfolgversprechende Abnehmkur, setzt den Schwerpunkt in der Kommunikation lediglich auf die wöchentlichen Akupunktur-Sitzungen. Dass seine Probanden jedoch weniger Kalorien zu sich nehmen dürfen, als der Körper eigentlich benötigt, wird erst auf den zweiten Blick bewusst: Nur 450 Kalorien dürfen die Patienten täglich zu sich nehmen, ohne Ausnahmen! Zum Vergleich: Bereits ein etwa vier Kilo schweres Baby benötigt etwa 400 bis 480 Kalorien täglich.
Um langfristig und gesund abzunehmen, empfehlen Ernährungsexperten grundsätzlich ein moderates Kaloriendefizit – dieses kann individuell für die eigene Körpergrösse und das Gewicht mit der Harris-Benedict-Formel berechnet werden. Im Netz finden sich Rechner, die das tägliche Kalorienbudget für eine moderate und langfristige Diät ausspucken: Bei Frauen geht man meistens von einem täglichen Kontingent von rund 1600 bis 1800 Kalorien aus, bei Männern ist es in der Regel etwas mehr.
Viel Verzicht für viel Erfolg?
Fumagalli erklärt den Speiseplan seiner Patienten: «Die Diät besteht aus drei Mahlzeiten pro Tag. Ein Apfel oder eine Kiwi zum Frühstück, Eiweiss – Fleisch oder Fisch – mit Gemüse oder Salat zum Mittagessen und etwas Gemüse oder Salat zum Abendessen.» Auf kohlenhydratreiche Lebensmittel wie etwa Reis oder Pasta wird gänzlich verzichtet. Die Diät werde so lange durchgezogen, bis die Person das Idealgewicht erreicht habe: «Danach folgt eine 2-monatige Phase der schrittweisen Integration von Lebensmitteln, die in der Abnehmphase verboten sind. Zunächst Milchprodukte, dann Gemüse und schliesslich Kohlenhydrate. Alle zwei Wochen sind während dieser Zeit Akupunktursitzungen geplant.»
Sobald alle Nahrungsmittel wieder eingeführt worden seien, beginne die Erhaltungsphase: Für die nächsten zwei Jahre empfiehlt der Tessiner monatliche Akupunktursitzungen einhergehend mit einer kohlenhydratarmen Ernährung. Kohlenhydrate sollen weniger als 20 Prozent der gesamten täglichen Nahrungsaufnahme ausmachen.
«Kein Jo-Jo-Effekt»
Auch das ist wenig. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) empfiehlt, dass Kohlenhydrate bei einer ausgewogenen Ernährung ca. 45–55 Prozent der täglichen Energieaufnahme ausmachen sollten. Auf der Website erläutert die Behörde: «Kohlenhydrate sind unsere wichtigste Energiequelle und gehören zusammen mit den Fetten und Proteinen zu den Hauptnährstoffen.»
Mit dem Vorwurf einer ungesunden Crash-Diät konfrontiert, kontert Fumagalli: «Unsere Hypothese ist, dass die Akupunktur den Stoffwechsel anregt und dadurch die in der Literatur bekannten Nebenwirkungen der Crash-Diät – also die Verringerung der Stoffwechselrate nach der Diät und anschliessender Jojo-Effekt – unterdrückt. Daher schlagen wir eine langfristige Nachfolge- und Erhaltungsdiät mit regelmässigen Akupunktursitzungen vor, um den Stoffwechsel weiterhin anzuregen und so eine dauerhafte Gewichtsabnahme zu erreichen.»