«Der Einfluss der Eltern wird überschätzt»
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Autor Reinhard K. Sprenger:«Der Einfluss der Eltern wird überschätzt»

Erziehungstipps vom Management-Coach
«Den Eltern muss es gut gehen»

Reinhard K. Sprenger (69) gilt in Managementkreisen als Guru und ist als Buchautor überaus erfolgreich. Nun wagt er sich an ein neues Genre: den Erziehungsratgeber. Wie kommts?
Publiziert: 18.11.2022 um 08:55 Uhr
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Reinhard K. Sprenger (69) ist ein renommierter Führungsexperte. Nun hat er mit «Elternjahre» einen Beziehungs- und Erziehungsratgeber veröffentlicht.
Foto: Stefan Thomas Kröger
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Karen SchärerTeamlead Gesellschaft

Es muss Parallelen geben zwischen Managemententwicklung und Kindererziehung. Denn auffällig an der Neuerscheinung «Elternjahre» ist der Autor: Reinhard K. Sprenger (69) gilt als «profiliertester Führungsexperte Deutschlands» und schreibt für gewöhnlich Bücher über Management (total 1,8 Millionen verkaufte Exemplare). Und nun kommt ein Erziehungsratgeber.

Eigensinn bewies er schon früh in seiner Karriere, nachdem er als junger Personalentwickler eine Kultur der Infantilisierung festgestellt hatte. Für ihn hingegen war klar: «Wir haben keinen Erziehungsauftrag gegenüber unseren Mitarbeitern», wie er im Video-Interview mit Blick ausführt. Mit seiner Haltung mischte er die Management-Etagen auf – seine Thesen standen im Kontrast zu gängigen Strategien der Unternehmensführung.

Nur nicht zu viel Fürsorge

Der vierfache Vater sieht Parallelen zwischen dem Führen von Erwachsenen und dem Zusammenleben mit Kindern, und diese weisen auf seine frühe Erkenntnis hin: «Übertriebene Fürsorge hält Menschen klein. Das gilt gegenüber Erwachsenen im besonderen Masse, aber auch schon relativ früh für Kinder.»

Für wichtiger erachtet Sprenger allerdings die Unterschiede, etwa dass man sich von einem Teammitglied trennen kann, wenn Leistung und Gegenleistung nicht mehr stimmen. Ein Kind hingegen könne Geben und Nehmen nicht ausgleichen: «Bis zu einem gewissen Alter bin ich permanent im Geben.»

Familie ist auch beim Führungs-Coaching ein Thema

Sein neustes Buch habe er «gar nicht aus der Perspektive eines Managementberaters» geschrieben, betont Reinhard K. Sprenger und wirkt überrascht, dass man darauf kommen könnte. «Elternjahre» basiert auf Notizen, die Sprenger seit 30 Jahren «heimlich» aufzeichnet, wie er sagt, immer im Bestreben, das Verbindende und Trennende seiner beruflichen und privaten Welt zu begreifen. Immer wieder sei er als Führungsexperte auf das Thema Familie angesprochen worden.

Ein Beispiel: «Nach einer mehrstündigen Coaching-Situation sagte ein Manager zu mir: ‹Herr Sprenger, das mit dem Verwaltungsrat kriege ich schon einigermassen hin. Aber mit meiner Tochter, das ist furchtbar!›» Plötzlich ging es um die Tochter, auch um die Paarbeziehung des Managers. Berater Sprenger sagt: «Was einem wirklich auf der Seele brennt, sind meist private Dinge und selten berufliche Aspekte.»

Reinhard K. Sprenger lebt mit seiner Partnerin, der Mutter seiner Kinder, seit 2006 in Winterthur ZH. Seine Beziehung profitierte vom Umzug aus Deutschland in die Nähe ihrer Eltern. Denn diese übernahmen die Kinderschar zwischendurch gerne. Dies sei das Thema, mit dem sein Buch aus der Flut der Erziehungsratgeber heraussteche, sagt er: Beziehungspflege. Erziehungsratgeber schauten in der Regel «starr» auf das Kind. «Was völlig aus der Optik herausfällt, ist, dass es auch den Eltern gut gehen muss», sagt Sprenger. Die zentrale These seines Buches: «Das Elternwohl ist die Voraussetzung für das Kindeswohl.»

Das Kind als «Ego-Prothese»

Für den Buchautor stellen Eltern ihre eigenen Bedürfnisse allzu oft hintenan. Sie seien dann «Nur-noch-Eltern». In vielen Familien sei das Kind zu einer «Ego-Prothese» für Eltern geworden: «Das Kind ist fast ein Heiligtum.» Die Eltern guckten zum Kind hoch und wollten es optimieren. «Sie geben vor, das sei das Beste für das Kind», sagt Sprenger. Er hält dies für problematisch. Nur das Kind selbst könne später herausfinden, was für es das Richtige ist. «Die Lektüre dieses Buchs soll Eltern helfen, destruktive Ansprüche von sich fernzuhalten und das Kind mehr zu geniessen, anstatt es dauernd nach vorne zu werfen.»

Er wisse, dass die meisten Kinder sich von allein gut entwickeln. Als Vater habe er sich deshalb immer wieder selbst ermahnt: «Sei nicht überzuständig.» Eltern machten nur viel falsch, wenn sie zu viel richtig machen wollten. Das Kind müsse lernen, so früh wie möglich ohne die Eltern auszukommen – ohne es zu vernachlässigen. Eltern wären dann «Gut-genug-Eltern». Vaterschaft bedeutet für Reinhard K. Sprenger, in Grauzonen zu handeln: «Wichtig war für mich, immer neu zwischen Nähe und Distanz, Strenge und Nachgeben zu balancieren. Im Wissen, dass Balance eine Illusion ist.»

Reinhard K. Sprenger, «Elternjahre. Wie wir mit Kindern leben, ohne uns selbst zu verlieren», DVA (2022).

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