Begriffsklärung
Feministinnen hassen Männer nicht

Jeder versteht etwas anderes unter Feminismus – aber eins ist er nicht: gegen Männer.
Publiziert: 02.02.2021 um 11:15 Uhr
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Aktualisiert: 16.04.2021 um 15:15 Uhr
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Ist möglichst viel Sex und nackte Haut wie bei Rapperin Cardi B …
Foto: Getty Images
Silvia Tschui

Was heisst eigentlich Feminismus? Glaubt man männlichen Stimmen in den Kommentarspalten, dann geht es um «hässliche, frustrierte Emanzen, die Männer hassen, weil sie keinen abkriegen». Fragt man eine der vielen jungen Frauen auf onlyfans.com, einer Art Instagram für selbst gemachte Pornografie, dann bedeutet Feminismus wohl: durch Sexarbeit eigenes Geld verdienen zu können, ohne dass ein Mann den Hauptteil der Einnahmen abkassiert. Fragt man eine der erfolgreichen Rapperinnen der Stunde, wie etwa Cardi B (28), die mit «WAP» («Wet Ass Pussy») und einem schlüpfrigen Video zum schlüpfrigen Text den Sommerhit 2020 landete, oder Nicki Minaj (38), die mit «Anaconda» die Freuden grosser männlicher Genitalien berappt, bedeutet Feminismus, genauso schamlos Sex, Macht und Geldgeilheit besingen zu können, wie das Männer in diesem Genre tun.

Lieber faire Löhne statt viel Haut

Sich selbst sexuell, in welcher Form auch immer, zu verkaufen – und es als Zeichen der weiblichen Selbstermächtigung zu deuten –, ist im feministischen Kampf eine neue, umstrittene Zeiterscheinung. Feministinnen der ersten Stunde wollten im 19. und 20. Jahrhundert die rechtliche Lage der Frauen verbessern, insbesondere mit dem Stimmrecht. Ab 1960 kämpften Frauen für faire Löhne und gegen Unterschiede in der Rentenabsicherung. Sie richteten ihr Augenmerk auch auf patriarchale Strukturen – etwa darauf, dass Frauen unbezahlt einen grösseren Teil der Haus- und Betreuungsarbeit erledigen.

Ab 1990 wird es komplizierter: In der dritten und vierten Welle des Feminismus bilden sich zusätzlich mehrere Richtungen heraus – unter anderem protestieren Frauen in der#MeToo-Bewegung dagegen, dass bei Vergewaltigungen oft Opfern die Schuld gegeben wird. Daneben gibt es unzählige weitere Strömungen, wie etwa den Ökofeminismus, der Ökologie mit feministischer Theorie verbindet.

Fairness statt Hass

Was nach alldem klar wird: Feminismus ist ein Begriff, der je nach Gruppe und Zeit einen Bedeutungswandel erfährt. So gibt es unterschiedliche Definitionen. Das renommierte Merriam-Webster-Wörterbuch definiert Feminismus heute als «Theorie politischer, wirtschaftlicher und sozialer Gleichheit der Geschlechter; oder organisierte Aktivität im Namen der Rechte und Interessen der Frau». Der Duden spricht von der «grundlegenden Veränderung», die der Feminismus anstrebt, um «gesellschaftliche Normen in der patriarchalen Kultur» zu verändern – etwa Unterschiede in der Rollenverteilung. Und feministische Theoretikerinnen haben wiederum eine andere Definition: «Einfach ausgedrückt, will Feminismus Sexismus, sexistische Ausbeutung und Unterdrückung abschaffen», schreibt etwa die US-Genderwissenschaftlerin bell hooks (68, die Kleinschreibung ist absichtlich) in ihrem Standardwerk «Feminism is for everybody» («Feminismus ist für alle»).

Was all den Definitionen gemein ist: Es geht nicht um Männerhass, sondern um Gleichberechtigung.

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