Baby-Ratgeber im Wandel der Zeit
Väter durften üben, Mütter nicht

Ratgeberliteratur rund ums Baby boomt. Sie richtet sich auch an Väter. Das war nicht immer so.
Publiziert: 16.10.2021 um 14:22 Uhr
|
Aktualisiert: 16.10.2021 um 14:28 Uhr
1/11
Gehört bei Orell Füssli zu den Bestsellern unter den Baby-Ratgebern: «Baby-Betriebsanleitung: Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung».
Foto: Mosaik Verlag
Jonas Dreyfus

Hat das Baby hohes Fieber – wenden Sie sich bitte umgehend an Ihren Service Provider. Solche Sätze – mit Service Provider ist hier Arzt gemeint – stehen im Buch «Baby-Betriebsanleitung: Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung». In den Buchhandlungen des Marktführers Orell Füssli ist es ein Bestseller.

Ratgeber rund ums Baby boomen. Allein in den letzten zwei Jahren erschienen in dieser Sparte rund 200 deutschsprachige Titel. Neben Klassikern wie «Babyjahre» von Remo Largo oder «Die Hebammen-Sprechstunde» sind laut Orell Füssli auch Wanderführer für Eltern mit Babys und Kochbücher für den ersten Brei beliebt.

«Unser Baby», ein sogenanntes Bildersachbuch für Kinder, die ein Geschwisterchen «erhalten», gehört gemäss Marktforschungsinstitut GfK dieses Jahr zu den zehn am besten verkauften Sachbüchern der Schweiz. Immer mehr von ihnen sind auf Väter zugeschnitten. Oder schliessen Männer zumindest mit ein. Früher war das eine Seltenheit.

Wie überlebt mein Kind?

Die deutsche Historikerin Verena Limper untersuchte die Geschichte der Ratgeberliteratur für Eltern für ihr Buch «Flaschenkinder». In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als die Säuglingssterblichkeit noch relativ hoch war, dienten sie als Instrument, um «unwissende» Mütter so zu instruieren, dass ihr Kind überlebte. Väter hatten mit dieser Aufgabe nichts zu tun.

Erst in den 50er-Jahren sprach ein US-Autor erstmals beide Elternteile an. Der Mann erfuhr beim Lesen, dass er ein warmherziger Vater und gleichzeitig ein richtiger Mann sein kann.

Es dauerte bis in die 70er-Jahre, bis mit dem Ratgeber von Ulrich Diekmeyer ein Werk erschien, das konsequent Mutter und Vater ansprach. Es regte den männlichen Leser dazu an, sich zu überlegen, wie er seine Frau bei der Kindererziehung entlasten kann, hielt eine Verteilung der Aufgaben aber erst ab dem zweiten Jahr für sinnvoll. Zugespitzt formuliert, schreibt Verena Limper, musste die Frau vom ersten Tag an funktionieren, während der Vater die ersten Jahre noch üben durfte.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?