Evelyne Binsack erklärt, wie man in der Natur aufs WC geht
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Tipps von der Bergführerin:Evelyne Binsack erklärt, wie man in der Natur aufs WC geht

Nicht nur der Everest hat ein Müll-Problem
Auch die Alpen sind verschmutzt – mit Kot und Altlasten

Evelyn Binsack sieht in den Schweizer Alpen ein zunehmendes Problem mit Fäkalien. Der Schweizer Alpen Club will darauf nun reagieren. Er hilft zudem jedes Jahr tonnenweise alten Müll aus den Bergen abzutransportieren.
Publiziert: 02.06.2023 um 20:32 Uhr
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Aktualisiert: 06.06.2023 um 13:00 Uhr
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Evelyne Binsack traf vor wenigen Tagen bei der Schillingsflüe am Brünig einen mit Toilettenpapier verschmutzten Klettergarten an.

Der Mount Everest verkommt zur Müll-Halde. Die Bilder von verdreckten Base-Camps am Himalaya schockieren – und zeigen die Schattenseiten des Massen-Alpinismus. Auch in den Schweizer Alpen gibt es ein Abfall-Problem, genauer gesagt: ein Kot-Problem. Bergsteigerin Evelyn Binsack (56) sagt gegenüber Blick: «An vielen Aufstiegsorten liegt neben dem Pfad immer mal wieder Kot. Und noch schlimmer: WC-Papier, das es je nach Wind überall hinträgt. Es ist das Problem in den Schweizer Bergen.» Vor wenigen Tagen sah sie Fäkalien bei der Schillingsflüe am Brünig. Diese würden nicht nur die Umwelt verschmutzen, sie seien auch «sehr unappetitlich», so die Abenteurerin.

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Auch bei den Alpen- und Bergsportverbänden sind die Fäkalien und das Toiletten-Papier in der Natur ein Thema. Martin Künzle (45), Fachmitarbeiter Bergsport und Umwelt beim Schweizer Alpen Club (SAC), sagt: «Dieses Problem hat sich verschärft, weil mehr Leute in die Berge gehen».

2021 führten eine weltweite Umfrage unter Berggängern zutage, dass 60 Prozent der Befragten schon menschlichen Fäkalien in der Natur begegnet sind.

Der SAC reagiert nun und will im nächsten Jahr sogar eigens eine Kampagne starten, die Berggehenden beibringen soll, wie man in der freien Natur umweltverträglich seine Notdurft verrichtet, ohne Spuren zu hinterlassen. Künzle sagt: «Viele wissen nicht genau, wie das geht.»

Wenn Du in der Natur mal wirklich musst

Diese Tipps gibt der SAC für den Fall, dass du in der Natur mal wirklich musst:

  • Wähle für deine Notdurft einen Platz abseits von Gewässern, sonst droht Verschmutzung.
  • Benütze normales Toilettenpapier (Papiertaschentücher und Feuchttücher verrotten viel langsamer) und vergrabe die Exkremente oder decke sie zu, damit das Toilettenpapier nicht vom Winde verweht wird.
  • Das Toilettenpapier nicht verbrennen – wegen Waldbrandgefahr.
  • Am besten nimmst du das gebrauchte Toilettenpapier sowieso in einem Plastiksack wieder mit ins Tal.

Diese Tipps gibt der SAC für den Fall, dass du in der Natur mal wirklich musst:

  • Wähle für deine Notdurft einen Platz abseits von Gewässern, sonst droht Verschmutzung.
  • Benütze normales Toilettenpapier (Papiertaschentücher und Feuchttücher verrotten viel langsamer) und vergrabe die Exkremente oder decke sie zu, damit das Toilettenpapier nicht vom Winde verweht wird.
  • Das Toilettenpapier nicht verbrennen – wegen Waldbrandgefahr.
  • Am besten nimmst du das gebrauchte Toilettenpapier sowieso in einem Plastiksack wieder mit ins Tal.

Doch wieso nimmt das Problem gerade jetzt zu? Weil so viele Menschen in den Alpen unterwegs sind, wie noch nie. 2022 war das erfolgreichste Jahr in der Geschichte der SAC-Hütten. Gemäss der Studie Sport Schweiz 2020 wandert jeder zweite Schweizer – viele davon in den Bergen. Auch andere Bergsportarten wie Klettern oder Bergsteigen werden immer populärer. Das hat Folgen, wie Martin Künzle vom SAC erklärt: «Gerade in den letzten Jahren sind viele Menschen mit wenig Erfahrung in die Berge gekommen. Während Corona zum Beispiel haben manche einfach ihre Party Location in die Berge verlegt.» Die grössten Probleme bestünden an Hot-Spots, wo viele Menschen ohne grossen Aufwand hingelangen.

Die Abfallsituation in den Alpen ist mit der Situation am Mount Everest nicht vergleichbar, ausgedehnte Müllfelder, wie in den verlassenen Base-Camps: in der Schweiz heute unvollstellbar. Allerdings gibt es in den Schweizer Alpen Altlasten. Bis in die 80er-Jahre entsorgten die SAC-Hütten ihren Abfall in wilden Deponien. Einige Tonnen Glas und Blech liegen bis heute in Fels- und Gletscherspalten oder unter Felsblöcken. Alte Lebensmittelbüchsen. Cola-Dosen und auch mal ein alter Wecker. Die Abfalllager waren gemäss damaliger Gesetzeslage legal – und wurden auch im Unterland praktiziert. Aber vor allem herrschte damals ein anderes Umweltverständnis vor. Künzle sagt: «Heute wären dies nicht mehr denkbar».

Lokale SAC-Sektionen und Hüttenteams sanieren nun eine Deponie nach der anderen. Der SAC-Zentralverband unterstützt sie seit 2018 im Rahmen seiner Clean-Up-Strategie finanziell. Über 550 Freiwillige entsorgten seither über 120 Tonnen Abfall durch mindestens 48 Aufräumaktionen. Helikopter transportierten den Müll zurück in die Täler, wo er fachgerecht entsorgt oder recycelt wurde. Martin Künzle sagt: «Damit nehmen wir unsere historische Verantwortung wahr».

Neu beginnen Teams des SAC auch Hüttenzustiege und stark besuchte Klettergebiete aufzuräumen. Laut Martin Künzle fanden bisher fünf solcher Aktionen statt.

Bei den Sanierungen kommen immer wieder auch überraschende Gegenstände zum Vorschein: zum Beispiel Parfümfläschchen. Dabei weiss man heute: Nichts riecht besser als die Berge.


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