Auf Gleis 31 bricht das Chaos aus. Zürich Hauptbahnhof, kurz vor sieben Uhr morgens. Islam Alijaj (37) lenkt seinen Rollstuhl durch die unzähligen Pendlerinnen und Pendler. Den Perron rauf und runter, vergeblich hält er Ausschau nach einem Menschen in Leuchtweste.
Diesen bräuchte er dringend, für die Rampe, mit der er in den Zug gelangen kann. Jede Fahrt muss er bei der SBB anmelden. Doch selbst die Bestätigung auf seinem Handy ist keine Garantie dafür, dass das auch wirklich klappt.
Alijaj wird nervös. Diesen Zug darf er nicht verpassen. Im Gewusel entdeckt er den Lokführer, fragt, wo denn die Betreuungsperson warte. Gleise quietschen, Lautsprecher quasseln. Der Lokführer blickt unwirsch zu ihm herunter. Es ist eindeutig: Lust, diesem schwer verständlichen Mann im Rollstuhl zu helfen, hat er so früh morgens keine.
Dabei trägt Alijaj heute seinen schönsten Anzug. «Wenn ich schon behindert bin, kann ich dabei wenigstens gut aussehen», hat er vorhin gesagt und verschmitzt gegrinst. Die Anmeldung sei wohl untergegangen, sagt der Lokführer. Wenn er könne, solle er doch eine spätere Verbindung nehmen. Aber Alijaj kann nicht. Um acht muss er in Bern sein, dann fängt im Bundeshaus die Session an. Islam Alijaj ist Nationalrat.