Am 15. August 2021 ergriffen die Taliban in Afghanistan die Macht. Jener Tag löste bei Maiwand Ahmadsei (32) viel aus. Plötzlich war alles wieder da: die Bilder, wie er und seine Eltern sich in den 1990er-Jahren in Kabul vor den Raketen von Milizen in Sicherheit bringen mussten, wie er in einem Keller ausharrte, kaum zu essen hatte. Wie niemand mehr in die Schule konnte. Er sagt: «Damals war ich machtlos. Heute kann ich etwas tun.»
Maiwand Ahmadsei lebt seit 2020 in der Schweiz, ist Assistenzarzt für Radioonkologie hauptsächlich am Universitätsspital Zürich und hat vor zwei Jahren die Afghan University of Medical Sciences (AUMS) gegründet – eine virtuelle Medizin-Hochschule für afghanische Studentinnen. Die Ausbildung besteht aus zwei Teilen: Rund 3000 Afghaninnen besuchen online Vorlesungen von Ärztinnen und Ärzten aus Afghanistan, Europa und Nordamerika. Hinzugekommen ist vor kurzem die praktische Ausbildung in einem Gebäude mit Untersuchungs- und Vorlesungsräumen in der Hauptstadt Kabul. 240 der Medizinstudentinnen lernen dort das praktische Handwerk.
Afghanistan
Beschränkte Mittel, grosse Wirkung
Ahmadsei sagt: «Möglich macht dies eine juristische Lücke.» Das Gesundheitsministerium erlaubt zwar keine Ausbildung zur Medizinerin, doch eine zur Hebamme, Pflegefachfrau und medizinischen Assistentin. «Auf dem Papier bilden wir am Schluss nun Hebammen und Pflegefachfrauen aus, die aber mindestens so fit sind wie Medizinerinnen in der Schweiz.»
All das schafft die AUMS mit 100'000 Franken pro Jahr. Ahmadsei und seine Kollegen würden gerne mehr Frauen ausbilden. Sie baten die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza) um finanzielle Unterstützung – und blitzten ab. Auf Anfrage schreibt ein Sprecher: Im Bereich der Gesundheitspflege unterstütze die Deza bereits das IKRK und Uno-Agenturen, die mit ihren Programmen in Afghanistan landesweit aktiv seien. Sie habe sich «dazu entschieden, die begrenzt verfügbaren und zeitlich gebundenen Ressourcen» weiterhin für die erfolgreichen Programme der bewährten Partner einzusetzen. Für Ahmadsei ist die Absage eine Enttäuschung. Er sagt: «Mit einem verhältnismässig geringen Betrag könnte die Schweiz einen riesigen Impact haben.»