Herr Pagan, welches ist Ihre früheste Erinnerung an den Zoo Basel?
Olivier Pagan: Ich bin im neuenburgischen Saint-Blaise aufgewachsen, und von dort aus war der Zoo Basel ein beliebtes Ziel für Familienausflüge. Das sind Bubenerinnerungen, und die haben mit dem Elefantenreiten zu tun.
Das ist nicht mehr möglich – die Elefanten leben heute für sich in einem 5000 Quadratmeter grossen Gehege.
Genau. Bei der 2017 neu eröffneten Elefantenanlage Tembea haben wir uns gefragt: Was charakterisiert eine Elefantenherde? Ah, sie lebt sehr sozial.
Welche Konsequenz hatte diese Erkenntnis?
Das hat uns dazu bewogen, uns vom Prinzip zu verabschieden, dass Tierpflegende in der Elefantenherde integriert und immer der Oberelefant sind und sich behaupten müssen.
Die legendären Elefantenausflüge in die Markthalle, wo die Tiere auf die Waage kamen, sind also definitiv vorbei?
Wenn sich der Mensch zurückzieht, dann kann er sich nicht ab und zu zurückziehen und dann wieder mitten in der Herde sein – das ist ein definitiver Entscheid.
Ist der Zoo nun perfekt?
Ein zoologischer Garten ist nie fertig. Er muss sich weiterentwickeln, und die Erkenntnisse aus der Tiergarten- und Feldbiologie müssen laufend in die Entwicklung einfliessen. Es ist eine rollende Planung.
Der Zoo Basel hat sich in den vergangenen 150 Jahren mehrfach neu erfunden. Wie fing alles an?
1874 wollten die Gründer der urbanisierten Bevölkerung einheimische Tiere zeigen. Als das Besucherinteresse nachliess, kamen Ende des 19. Jahrhunderts schnell exotische Tiere dazu …
… und exotische Menschen in den sogenannten Völkerschauen.
Ja, das ist korrekt. Europäische Veranstalter tourten mit Indigenen aus Kolonialreichen von Stadt zu Stadt. Im Zoo Basel machten insgesamt 21 «Völkerschauen» halt.
Was war zu sehen?
Dort, wo heute die Flamingos leben, führten Menschen aus Afrika oder Asien einen inszenierten Lebensalltag vor. Aus heutiger Sicht sind Völkerschauen Ausdruck einer rassistischen Weltanschauung. Damals befriedigten sie ein Besucherinteresse und waren beim Publikum enorm beliebt.
Was machen Sie zur Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels?
Im Jubiläumsjahr thematisiert die Geschichtsausstellung «Auf Zeitreise» die Völkerschauen, die zwischen 1879 und 1935 an jenem als «Festmatte» bekannten Ort gastierten.
1993 kamen Sie als Tierarzt zum Zoo Basel und sind heute seit über 20 Jahren sein Direktor. Was hat sich in Ihrer Zeit bewegt?
Bahnbrechend war, dass wir uns Ende der 1990er-Jahre von der Idee der Tiersammlung verabschiedet haben und zu Themenanlagen hingegangen sind. 2001 konnten wir mit der Etoscha-Anlage das erste Themen-Gebäude eröffnen.
Was ist das Spezielle an diesem Bau?
Etoscha ist ein Nationalpark in Namibia, und im Haus wollen wir den Nahrungskreislauf in der afrikanischen Savanne erlebbar machen: Pflanzen, Pflanzenfresser, Karnivore und Aasfresser zeigen Wachstum, Fressen und Gefressenwerden.
2019 sind Sie mit dem Ozeanium bei der Basler Stimmbevölkerung gescheitert – das grösste Aquarium der Schweiz sollte für den Schutz der Meere sensibilisieren. Sind die Menschen heute kritischer gegenüber Zoos?
Nein, es gab immer eine Grundkritik. Was heute anders ist, sind die vorgefertigten Meinungen, was nicht zuletzt mit den sozialen Medien zu tun hat. Auf der anderen Seite haben wir eine grosse Fangemeinde.
Letztes Jahr hatte der Zoo Basel mit 1,2 Millionen Eintritten einen Besucherrekord. Wird der im Jubiläumsjahr 2024 übertroffen?
Das hoffe ich doch sehr!
Am 3. Juli wird der Zolli 150 Jahre alt. Was gibt es zum Geburtstag?
Dann darf das Publikum für Eintrittspreise wie 1874 in den Zoo – 50 Rappen, zuzüglich eines Naturschutzfankens, den wir erheben. Es gibt ein kleines Volksfest mit Kinderschminken, grosser Torte und ein paar Reden.
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