Zyklus-App App offline
«Alle meine Daten sind weg – jetzt sind wir wieder blind»

Melanie B.* (32) steht vor den Trümmern ihrer Familienplanung. Über Nacht verschwanden ihre intimsten Gesundheitsdaten – weil eine Firma ihre Rechnungen nicht bezahlte.
Publiziert: 20.12.2024 um 10:10 Uhr
|
Aktualisiert: 20.12.2024 um 18:25 Uhr
1/5
Jahrelang vertrauten Tausende Frauen dem türkisfarbenen Ava-Armband ihre intimsten Gesundheitsdaten an.
Foto: Ava/James Bueti
1/5
Jahrelang vertrauten Tausende Frauen dem türkisfarbenen Ava-Armband ihre intimsten Gesundheitsdaten an.
Foto: Ava/James Bueti

Auf einen Blick

  • Tausende Frauen verlieren Zugang zu Ava-App mit intimen Gesundheitsdaten
  • Ava-Nutzerinnen frustriert über plötzliche Sperrung und fehlende Kommunikation
  • Firma ging pleite und wurde liquidiert, neue Besitzer versprechen Besserung
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
nnnnnnn.jpg
Tobias BolzernRedaktor Digital

Tausende Frauen stehen vor dem digitalen Nichts. Ihre intimen Gesundheitsdaten, gesammelt von der Firma Ava, sind seit Ende November unerreichbar. Die App und die Website der Firma funktionieren nicht mehr. «Diese Daten waren absolutes Gold wert», so Melanie B.* (32). Das dazugehörige 200-Franken-Armband, das den Zyklus, Schlaf und Temperatur misst: «Nutzlos!»

Bis vor ein paar Wochen überwachte B. mit dem Tracker knapp zwei Jahre ihre Gesundheit: Eisprung, Menstruation, Ruhepuls – alles protokolliert in der Ava-App. Das Ziel: schwanger werden. Dann kam der Shutdown. Ohne Vorwarnung sperrte die Firma den Zugang. «Jetzt sind wir wieder blind», klagt die junge Frau.

Website von Ava offline

Sie steht vor zahlreichen offenen Fragen: «Wer hat Zugriff auf meine privaten Gesundheitsdaten? Sind sie überhaupt noch sicher?» Der Frust der Nutzerinnen entlädt sich auch in den sozialen Medien. Auf Instagram häufen sich unter Ava-Posts die wütenden Kommentare. Mittlerweile ist auch die Website von Ava offline. Zahlreiche Nutzerinnen berichten, dass sie auf Fragen keinerlei Antworten vom Support erhalten.

Besonders bitter für B.: «Ich habe zwei Freundinnen, die dank Ava schwanger wurden. Mein Partner und ich sind jetzt genau an dem Punkt, wo wir es auch versuchen wollten. Die App hätte uns dabei extrem geholfen.» Jeden Abend erscheint eine Erinnerung auf ihrem Smartphone: «Zeit, um dein Armband anzuziehen.» Dies für die Messung. B. sagt trocken: «Schön wärs!»

Firma ging pleite

Die Geschichte von Ava startet in der Schweiz. 2014 von Lea von Bidder gegründet, wurde die Firma 2022 an das US-Unternehmen Femtec Health verkauft. Wie die «Bilanz» damals schrieb, war es ein Notverkauf. Denn: Gewinne gab es offenbar keine, laut der Zeitung scheiterten mehrere Finanzierungsrunden. Der erhoffte Befreiungsschlag für Ava blieb aus: Femtec Health ging pleite und wurde 2023 liquidiert. 

Wie Recherchen von Blick zeigen, steckt hinter Ava aktuell die Firma Awesome Health. Die Firma hat die Markenrechte von Ava gekauft. Der Interims-CEO Jason Goldenberg, Partner bei der US-Beratungsfirma CGS Advisory, erklärt den App-Ausfall so: «Unbezahlte Rechnungen bei Amazon Web Services (AWS) führten nach dem Eigentümerwechsel zur Sperrung der Ava-Plattform», sagt er. Die ausstehenden Rechnungen seien mittlerweile allerdings beglichen. «Unsere höchste Priorität ist jetzt die Wiederherstellung der Ava-Dienste», sagt er. 

Er versichert: «Die Daten unserer Nutzerinnen waren zu keinem Zeitpunkt gefährdet und sind weiterhin sicher bei AWS gespeichert», so Goldenberg. Er räumt ein, dass die Firma die Nutzerinnen nicht vorab informieren konnte. «Unser Ziel ist es, das Vertrauen in die Marke wieder aufzubauen», sagt er. Man wolle alle Dienste so bald als möglich wieder aufschalten und plane, betroffene Kundinnen für die Ausfallzeit zu entschädigen – etwa mit Gratisangeboten. Über eine neue Website will die Firma informieren. 

«Es braucht viel Zeit»

Nutzerinnen sind skeptisch, ob das stimmt – auch B. Sie sagt: «Wir Nutzerinnen konnten unsere Zyklen wochenlang nicht verfolgen. Das braucht jetzt wieder viel Zeit, um aktuelle Daten aufzubauen.» Das Versprechen, dass der Dienst bald wieder online sein soll, ist immerhin ein Lichtblick am Ende des Tunnels, sagt sie. Andere Nutzerinnen hingegen planen in den USA bereits eine Sammelklage gegen das Unternehmen.

* Name geändert 

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?