«Entschuldigung, das ist ein AI-Song?», «Oh mein Gott, der gefällt mir!» oder «Gölä. Arbeitslos. Wann?» Das sind nur einige der Reaktionen auf Songs, die mit der Plattform suno.ai produziert wurden. Das Tool erobert derzeit die Herzen vieler Nutzerinnen und Nutzer.
Denn mit suno.ai können auch Menschen ohne musikalisches Talent einen Hit produzieren. Dazu muss der Song lediglich in Worten beschrieben werden. «Ein Blues-Song über einen hungrigen Kater namens Herbert», ein «gregorianischer Chor, der ein Pizza-Rezept singt», eine «Oper über Romeo und Julia und Tinder» oder ein «Countrysong über ein vergessenes Passwort»: Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
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Fünf Songs gratis pro Tag
Hat man den gewünschten Song in Worte gefasst, dauert es keine 30 Sekunden, bis die künstliche Intelligenz (KI) den Songclip ausspuckt. Dabei kümmert sich die KI um alles: Sie schreibt den Text, komponiert die Musik und sorgt sogar für ein Albumcover und den Titel. Fünf Songs können mit einem Account pro Tag gratis erstellt werden. Mit einem Abonnement (ab 8 Franken) können 500 Songs pro Monat generiert werden.
Hinter suno.ai steckt ein KI-Modell der gleichnamigen Firma aus Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts. Songtexte schreibt ChatGPT – vollautomatisch im Hintergrund. Wahlweise können auch rein instrumentale Tracks erstellt oder eigene Texte hochgeladen werden. Selbst auf Schweizerdeutsch liefert die KI recht überzeugende Resultate (siehe Video) – nur zum Jodeln haben wir suno.ai bisher nicht gebracht.
Das Phänomen erklärt
Doch warum gehen die KI-Songs gerade jetzt so viral? Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen hinkte Audio bei KI-generierten Inhalten bisher noch etwas hinterher. Während es mittlerweile KIs gibt, die Bilder, Texte und sogar Videos überzeugend produzieren können, gab es für Musik bisher nur wenige Tools, die gut und auch einfach zu bedienen waren. Andererseits steckt in Musik sehr viel Emotion und suno.ai kann diese – bis zu einem gewissen Grad – sehr glaubwürdig vermitteln.
Die Ergebnisse sind aber bei weitem nicht perfekt. Es gibt immer wieder Momente, in denen der Zauber verfliegt, Artefakte auftreten oder Texte seltsam oder gar nicht ausgesprochen werden. Dennoch hat das Tool das Potenzial, die Musikproduktion einer breiten Masse zugänglich zu machen, ähnlich wie es die Handykamera für die Fotografie getan hat.
Doch wie schafft es die KI, Musik über Genres und Stile hinweg zu komponieren? Mit welchen Daten suno.ai trainiert wurde, ist nicht bekannt. Die Entwickler schweigen sich darüber aus. Haben sie etwas zu befürchten? Der ChatGPT-Macher OpenAI etwa sieht sich derzeit mit Klagen konfrontiert, weil für das Training des Chatbots auch urheberrechtlich geschütztes Material verwendet wurde.
Künstler gegen KI
Auch vonseiten der Künstlerinnen und Künstler regt sich Widerstand. In einem offenen Brief haben sich Stars wie Nicki Minaj, Billie Eilish und Stevie Wonder zum Thema künstliche Intelligenz geäussert. Sie fordern einen zurückhaltenden Umgang mit der Technologie. «Der Angriff auf die menschliche Kreativität muss gestoppt werden. Wir müssen uns vor dem räuberischen Einsatz von KI schützen, um die Stimmen und Bilder professioneller Künstler zu stehlen, die Rechte der Urheber zu verletzen und das Ökosystem der Musik zu zerstören», heisst es im Schreiben.
Einen anderen Ansatz wählte die kanadische Musikerin Grimes. Sie klonte im vergangenen Jahr ihre Stimme und forderte ihre Fans auf, damit neue Musik zu kreieren und dann die allfälligen Einnahmen zur Hälfte zu teilen.