Ende einer Ära
Bald wird nur noch via IP telefoniert

Der analogen Telefonie wird 2017 der Stecker gezogen. Eine Chance für KMU, ihre Telefonanlagen zu modernisieren. Doch bislang scheuen noch viele die notwendigen Investitionen.
Publiziert: 28.03.2016 um 13:31 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 16:24 Uhr
Headset und Compi: die moderne Art zu telefonieren.
Foto: Thinkstock
Flavian Cajacob

Was Anbieter wie etwa Skype in ähnlicher Form schon lange ermöglichen, führt Swisscom jetzt flächendeckend fürs Festnetz ein: Telefonieren via Internet, kurz VoIP (Voice over Internet Protocol, siehe Kasten). Das Telefon wird direkt an einem Router angeschlossen, die klassische Telefonbuchse hat ausgedient. Und nicht nur sie, denn VoIP ersetzt ab 2017 auch ISDN – und damit die bei Schweizer KMU mit Abstand beliebteste Telefontechnologie.

Sind sich die Unternehmen der technologischen Revolution überhaupt bewusst? Das Offertenportal Gryps hat im Februar exklusiv für BLICK «Büez» eine Umfrage durchgeführt, um herauszufinden, wie weit die von Swisscom 2013 in Angriff genommene Umstellung bei Schweizer Firmen fortgeschritten ist. Fazit: «Je kleiner der Betrieb, desto grösser die Wahrscheinlichkeit, dass er nach wie vor über ISDN telefoniert», so Gryps-CEO Gaby Stäheli.

Viel Geld für aufgezwungene Umrüstung

Konkret hängen 30 Prozent der grossen KMU (über 200 Mitarbeitende) momentan noch an ISDN. Bei den mittleren KMU (20 bis 200 Mitarbeitende) sind es 50 Prozent. Und bei den kleinen KMU (1 bis 20 Mitarbeitende) sogar 70 Prozent. «Viele Verantwortliche haben Angst, dass VoIP in Sachen Qualität und Zuverlässigkeit nicht an ISDN herankommt», weiss Gaby Stäheli, «oder die Umstellung wird einfach aus reiner Bequemlichkeit hinausgeschoben.»

Nicht so bei der Gautschi Spezialitäten AG im bernischen Utzenstorf. Bis zweite Hälfte dieses Jahres soll die Umstellung auf Internettelefonie abgeschlossen sein, sagt Markus  Stucki, der IT-Verantwortliche des Traditionsunternehmens, das für seine Saucen bekannt ist. «Es gilt, 30 Apparate umzurüsten.» Zurzeit sichtet Stucki die eingegangenen Offerten. «Und die gehen je nach Leistungsumfang bis zu 30 Prozent auseinander.» Die Umrüstung kostet das Unternehmen Gautschi pro Anschluss in etwa 500 Franken. Macht bei 30 Anschlüssen 15'000 Franken. Zum Missfallen von Stucki: «Viel Geld, das wir für etwas hinlegen müssen, was uns aufgezwungen wird».

Längere Übergangsphase gefordert

Eine Meinung, welche Konsumentenschützer und Preisüberwacher teilen. Sie fordern nun von der Swisscom eine längere Übergangsphase, damit die Unternehmen den Ersatz der Geräte mittelfristig gezielt in den Investitionszyklus integrieren können. Doch ein Aufschub wird auch nicht helfen. Denn «VoIP kommt so oder so», meint Sven Meier vom Telekomunternehmen e-fon. «Wer Ende 2017 nicht Gefahr laufen will, mit Tausenden anderen auf die Schnelle eine praktikable Lösung finden zu müssen, der handelt besser schon heute.» Für die Migration der Internettelefonie ins Kommunikationssystem des Unternehmens veranschlagt Meier zwischen einem und zwei Monaten. «Das Gute ist: Man kann ein neues und das alte System ein paar Tage lang parallel laufen lassen, um VoIP zu testen und wenn nötig Probleme zu beheben.»

Günstiger telefonieren

VoIP soll dem Kunden mehr Mobilität, Kostentransparenz und günstigere Gesprächstarife bringen. Die Provider werben mit Einsparungen von bis zu 50 Prozent. Zudem ermöglicht die Internettelefonie das Übermitteln von Namens­informationen, erweiterte Konferenz- und Weiterleitungsfunktionen und mobile Integration. Einige Sonderanwendungen, die heute über das Festnetz betrieben werden, funktionieren indes nicht mehr oder müssen umgerüstet werden. So beispielsweise Alarm- und Haustechnikanlagen, Frankier­maschinen, Faxgeräte oder Lifttelefone. Auch das Kosten, die sich in der Regel beim Kunden niederschlagen.

Das Telefonieren verändert sich mit VoIP nicht grundlegend. Wer in den letzten fünf Jahren ein neues Gerät angeschafft hat, besitzt mit grosser Wahrscheinlichkeit bereits ein IP-fähiges Telefon. «Konverter für den Anschluss von alten Telefonen kann ich nicht empfehlen – besser gleich auf IP-Telefone umstellen – dann können die Vorteile, wie etwa der Anschluss an eine Cloud­lösung, vollumfänglich genutzt werden», betont Sven Meier von e-fon.

Monatlich wechseln laut Swisscom 50'000 Kunden auf VoIP. Insgesamt sollen bis Ende 2017 über zwei Millionen Anschlüsse digital aufgerüstet werden. Rund 40 Prozent der Kunden hätten den Schritt in die Internettelefonie bereits gewagt, so Swisscom.

«Der Kunde zahlt nur, was er braucht»

Dass die Swisscom 2017 die Festnetztelefonie einstellt, macht vielen KMU zu schaffen. Swisscom Experte Beat Döös erklärt, warum das nötig wurde.

ISDN hat sich bewährt in den Unternehmen. Weshalb rüstet Swisscom jetzt alle Kunden um auf VoIP?
Beat Döös: Die herkömmliche Festnetztelefonie, zu der auch ISDN gehört, deckt die zeitgemässen Bedürfnisse nicht mehr ab. Weil die Technologie nicht mehr weiter entwickelt wird, fehlt es an Know-how und Ersatzteilen, das  macht den Support aufwendig.  Deswegen wird weltweit auf die Internet-Protokoll-Technologie (IP) umgestellt.

Welche Vorteile bringt VoIP ­einem KMU?
Der Vorteil liegt vor allem in der neu gewonnenen Flexibilität, Arbeitsprozesse können vereinfacht werden. IP ermöglicht standortunabhängiges und geräteübergreifendes Arbeiten.

Was muss ich tun, um auf VoIP umgerüstet zu werden?
Wir nehmen Kontakt mit dem Kunden auf, aber am besten ist es, er wird selbst aktiv und nimmt mit seinem IT-Partner oder einem KMU-Berater von Swisscom Kontakt auf. Die bestehende Infrastruktur – etwa die Verkabelung – sowie Telefonanlage und Geräte funktionieren aber in den meisten Fällen weiterhin mit IP. Ansonsten braucht es einen Router, der den Zugang zum Internet gewährleistet.

Telefonieren über das Internet – das soll sicher sein?
Das Telefonieren über IP erfolgt nicht über das World Wide Web, sondern über das sichere Swisscom-Netz.

Was kostet mich als KMU die Umstellung auf VoIP pro Telefon?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt auf die bestehende Infrastruktur und Geräte an. Im Idealfall sind keine Investitionen notwendig. Klar ist, dass mit IP langfristig gesehen grosse Kosteneinsparungen erzielt werden können.

Und weshalb muss die ganze Aktion bis Ende 2017 abgeschlossen sein?
Das analoge Netz gibt es schon seit über 100 Jahren. In den letzten Jahrzehnten haben wir das IP-Netz schrittweise aufgebaut, jetzt erfolgt eine Ablösung. Wir sind der Meinung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist.

Interview: Flavian Cajacob

Beat Döös, Head of All-IP Transformation, Swisscom.
ZVG

Dass die Swisscom 2017 die Festnetztelefonie einstellt, macht vielen KMU zu schaffen. Swisscom Experte Beat Döös erklärt, warum das nötig wurde.

ISDN hat sich bewährt in den Unternehmen. Weshalb rüstet Swisscom jetzt alle Kunden um auf VoIP?
Beat Döös: Die herkömmliche Festnetztelefonie, zu der auch ISDN gehört, deckt die zeitgemässen Bedürfnisse nicht mehr ab. Weil die Technologie nicht mehr weiter entwickelt wird, fehlt es an Know-how und Ersatzteilen, das  macht den Support aufwendig.  Deswegen wird weltweit auf die Internet-Protokoll-Technologie (IP) umgestellt.

Welche Vorteile bringt VoIP ­einem KMU?
Der Vorteil liegt vor allem in der neu gewonnenen Flexibilität, Arbeitsprozesse können vereinfacht werden. IP ermöglicht standortunabhängiges und geräteübergreifendes Arbeiten.

Was muss ich tun, um auf VoIP umgerüstet zu werden?
Wir nehmen Kontakt mit dem Kunden auf, aber am besten ist es, er wird selbst aktiv und nimmt mit seinem IT-Partner oder einem KMU-Berater von Swisscom Kontakt auf. Die bestehende Infrastruktur – etwa die Verkabelung – sowie Telefonanlage und Geräte funktionieren aber in den meisten Fällen weiterhin mit IP. Ansonsten braucht es einen Router, der den Zugang zum Internet gewährleistet.

Telefonieren über das Internet – das soll sicher sein?
Das Telefonieren über IP erfolgt nicht über das World Wide Web, sondern über das sichere Swisscom-Netz.

Was kostet mich als KMU die Umstellung auf VoIP pro Telefon?
Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt auf die bestehende Infrastruktur und Geräte an. Im Idealfall sind keine Investitionen notwendig. Klar ist, dass mit IP langfristig gesehen grosse Kosteneinsparungen erzielt werden können.

Und weshalb muss die ganze Aktion bis Ende 2017 abgeschlossen sein?
Das analoge Netz gibt es schon seit über 100 Jahren. In den letzten Jahrzehnten haben wir das IP-Netz schrittweise aufgebaut, jetzt erfolgt eine Ablösung. Wir sind der Meinung, dass jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist.

Interview: Flavian Cajacob

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