Auf einen Blick
- Rekrut schiesst versehentlich auf Wand
- Leser diskutieren über Verantwortung und Normalität von unbeabsichtigten Schüssen
- 3 von 23 Strafbefehlen in einem Monat betrafen ungewollte Schussabgaben
Frühmorgens in der Stadtkaserne Frauenfeld: Ein 20-jähriger Rekrut nahm sein Sturmgewehr zur Sicherheitskontrolle, spannte dabei versehentlich den Schlagbolzen und entschied sich, das «Problem» durch einen gezielten Schuss auf die Wand neben dem Zimmer zu beheben. Um 5.45 Uhr fiel der Schuss – nur wenige Stunden nach dem Konsum von Cannabis und Kokain am Vorabend.
Solche Vorfälle sind keine Seltenheit. Manchmal versagen selbst geübte Hände am Abzug: Ein Blick in die Fälle der Militärjustiz enthüllt, wie schnell es zu gefährlichen Fehlzündungen kommen kann – ungewollt, aber mit teils gravierenden Folgen. Blick hat die rechtskräftigen Entscheide eines Monats analysiert. Drei der 23 Strafbefehle gingen auf ungewollte Schussabgaben zurück.
Was meint die Community?
Einige Leserinnen und Leser sind empört über solche Ereignisse. «Ich würde allen nur eine Schreckschusswaffe in die Hände geben und nur bei Schiessübungen richtige Patronen, da kann nicht mehr viel passieren. Wofür braucht ein Soldat eine geladene Waffe während des WK? Wir sind nicht im Krieg!», schreibt Leser Michele Pagliuca.
Leser Heinz Leibundgut sieht das Problem nicht beim Militär selbst: «Die Entladekontrolle wurde nicht wie befohlen durchgeführt. Ebenso wurde die Munition nicht wie vorgeschrieben abgegeben. Das eigentliche Problem liegt nicht beim Militär, sondern bei den beteiligten Personen.»
Leserin Sandra Galander ist der gleichen Meinung. «Auch wenn einem das Militär auf die Nerven geht, sollte man charakterlich fähig sein, im Umgang mit Waffen und beim Führen von Fahrzeugen das Verantwortungsbewusstsein eines Erwachsenen an den Tag zu legen. Die Strafen für solche Nachlässigkeiten sollten extrem hoch sein!», mahnt sie.
«Die Unfälle sind völlig normal»
Manche Leser scheinen mit ungewollten Schussabgaben vertraut zu sein. So schreibt beispielsweise Eric Lang: «Absolut nichts Neues, sondern Usus beim Militär. Ich habe in den 80er-Jahren meine Karriere beim Militär begonnen und in der Zeit, die ich da war, sage und schreibe vier ungewollte Schussabgaben miterlebt: zweimal im Wachlokal, einmal bei Schiessübungen und einmal beim Gewehrputzen. Es hat sich wohl bis heute nichts verändert.»
Andere Leser nehmen solche Vorfälle ebenfalls eher auf die leichte Schulter. «Im Militär wird trainiert, aber niemand kann die Konzentration 17 Stunden lang aufrechterhalten. Auf der Wache stehst du unter akutem Schlafmangel. Das Militär ist eine Herausforderung, bei der Unfälle dazugehören. Das Militär plant diese ein, weshalb Unfälle sehr oft ohne Personenschaden ausgehen. Früher wären solche Vorfälle nie bestraft worden», schreibt Leser Richard Gasser.
User Martin Jeitziner merkt an: «Rein statistisch gesehen sind die Unfälle völlig normal. Vermutlich kennt jeder Soldat solche Geschichten. Die meisten wurden nicht mal gemeldet. Auch Armeeangehörige mit Drogenproblemen gab es schon immer.»
Und auch Leser Giorgio Gerber sieht die Situation gelassen: «Ist etwas zu verallgemeinernd, zu schreiben, alle Soldaten seien fahrlässig. Wenn Hunderttausende mit einer Waffe hantieren, wie gross ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass sich mal ein Schuss löst? Das passiert auch im Schützenhaus. Nur weiss hier niemand davon. Genauso gut könnte man sagen, die Schweizer fahren fahrlässig Auto. Trotz Ausbildung passieren Unfälle.»